Einen Tag nach ihrem 31. Geburtstag trat die Pianistin Khatia Buniatishvili beim Kissinger Sommer auf. Im bestens besuchten Großen Saal des Regentenbaus machte die gebürtige Georgierin, die inzwischen auch die französische Staatsbürgerschaft besitzt, etwas, was nur wenigen gelingt: Sie spielte Tschaikowskys erstes Klavierkonzert auf eine so erfrischende und persönliche Art und Weise, dass das Werk klang, als hätte es der Komponist eigens für sie geschrieben.
Das Geheimnis der Pianistin war dabei, dass sie das Stück, das unter Musikern den zweifelhaften Ruf eines effektvollen Gassenhauers hat, einfach mal ernst nahm. Die drei Strophen des schwelgerischen Kopfthemas interpretierte sie mit genau jener Mischung aus Emotion und Präzision, die es braucht, um diese Musik zur Entfaltung zu bringen. Die vollgriffigen Akkorde saßen ebenso akkurat wie die hinreißend vorgetragenen punktierten Rhythmen.
Wahre Interpretationskunst zeigte Buniatishvili in den Übergängen. Wie sie die Lautstärke zurücknahm, um anschließend zum prachtvollen Forte zu gelangen, war atemberaubend. So wurde die Musik zu einem Wechselspiel aus Spannung und Ruhe.
Traumwandlerische Sicherheit
Klasse war, dass die Wiener Symphoniker unter dem spanischen Dirigenten Gustavo Gimeno sich voll und ganz auf die Gestaltungskraft der Pianistin einließen. Mit traumwandlerischer Sicherheit klappte das Zusammenspiel zwischen Solistin und Orchester auch und gerade in den instrumentatorisch vertrackten Nebenthemen. Das funktionierte auch deswegen so gut, weil keiner der Aufführenden einen Zweifel darin ließ, wer hier das Sagen hatte. Das war nämlich Khatia Buniatishvili, die mit ihrer fulminanten Interpretation des Finalsatzes unterstrich, was die Basis ihres Könnens ist: ihre Virtuosität, die sie mit Stilsicherheit und Intelligenz einsetzte. Sie spielte das Konzert so locker, dass sie beinahe vergessen ließ, was für eine geradezu sportliche Herausforderung das Stück ist. Kein Wunder, dass das Publikum in Jubelrufe ausbrach.
Als Zugabe spielte Buniatishvili das g-Moll-Menuett aus Händels B-Dur-Suite in der Bearbeitung von Wilhelm Kempff, der den zweistimmigen Barocksatz mit zusätzlichen Mittelstimmen und Bassverstärkung zu einer dichten Meditation umgestaltet hat.
Mit Spielfreude gaben die Wiener Symphoniker zudem die Zarenbraut-Ouvertüre von Rimski-Korsakow und Strawinskys Feuervogel-Suite zum Besten. Großes Können zeigten hier insbesondere die Holzbläser. Nach dem letzten strahlenden H-Dur-Tutti gab?s Riesenapplaus und zwei fetzige, typisch wienerische Zugaben: den fünften „Ungarischen Tanz“ von Brahms und die Polka „Unter Blitz und Donner“ von Johann Strauss.