Seinen ersten Krimi, „Die Jury“, bot John Grisham in den 1980er Jahren noch persönlich in Buchläden und Bibliotheken an, „um wenigstens ein paar Exemplare zu verkaufen“. „Die Jury“ war dann so erfolgreich, dass er seitdem fast jedes Jahr ein neues Buch herausbringt. Neun wurden verfilmt.
Auf der „Forbes“-Liste der englischsprachigen Bestsellerautoren rangiert der ehemalige US-Anwalt unter den Top Ten. Seine Justizthriller und Sachbücher erscheinen in 40 Sprachen und sind weltweit in 275 Millionen Kopien im Umlauf. An diesem Sonntag (8. Februar) wird Grisham 60 Jahre alt.
Grisham stammt aus armen Verhältnissen. Sein Vater ernährte Frau und fünf Kinder als Baumwollfarmer. Nach dem Verlust der Farm siedelte die Familie von Arkansas nach Mississippi über, wo es Arbeit auf dem Bau gab. John verdiente schon während der Schule ein Zugeld. Dann studierte er Buchhaltung, später noch Jura. Zehn Jahre hielt er es als Anwalt aus. „Sie glauben gar nicht, wie ich das gehasst habe“, bekannte Grisham in der Wochenzeitung „Die Zeit“. „Ich hatte keine interesanten Fälle und wenig Geld. Vieles, was meine Helden umtreibt, ist autobiografisch: diese Kleinstadtfrustration, diese gescheiterten Träume, dieser heimliche Größenwahn.“
Tränen in den Augen
Um dem drögen Alltag zu entrinnen, fing Grisham nebenbei mit dem Schreiben an. Seine erste Story entstand, als er die Aussagen eines zwölfjährigen Vergewaltigungsopfers im Gerichtssaal mit anhörte. Die Schilderung trieb den Geschworenen Tränen in die Augen. Auch aus Grishams Zeilen sprach Mitgefühl.
Kritiker werfen ihm Schwarz-Weiß-Malerei vor. Seine Charaktere seien entweder gut oder böse, bettelarm oder superreich. Frauen der High Society hätten nichts als die nächste Schönheits-OP im Kopf, während ihre Ehemänner an der Wall Street Geld schaufelten. Doch Grishams Erfolgsrezept für Krimis mit beißender Gesellschaftskritik bleibt schnell kein Geheimnis mehr. Nach dem Filmvertrag für sein Buch „Die Firma“ hängt er die ungeliebte Kanzlei und sein Amt als Abgeordneter der Demokraten im Landtag von Mississippi an den Nagel.
Gleichzeitig wächst seine Kritik am Rechtssystem der USA. In seinen Thrillern, in Artikeln und Interviews verurteilt er eine Justiz, die seiner Ansicht nach Schwarze benachteiligt, Todesurteile an Unschuldigen vollstreckt und in Guantanamo gegen die Menschenrechte verstößt. Grisham unterstützt die Organisation „Innocence Project“ als einer derer Direktoren und hilft, zu Unrecht Verurteilte anhand von DNA-Beweisen aus dem Gefängnis zu holen. Das hat ihm vor allem im konservativen Süden der USA Feinde geschaffen.
Empörung bei manchen Fans
Aber mit Zitaten, die der britische „Telegraph“ ihm vor wenigen Monaten entlockte, empörte Grisham selbst manche seiner liberalen Fans. US-Gefängnisse platzten unter anderem deshalb aus den Nähten, weil Richter „verrückt spielen“ und „sechzigjährige weiße Männer, die nie jemandem geschadet haben“ wegen eines einzigen Abstechers auf pädophile Internetseiten einsperrten.
Als Beispiel nannte Grisham einen Studienkollegen, der für den Blick auf nackte 16-Jährige im Netz drei Jahren Haft bekam. Allerdings hatte er nicht nur 16-Jährige angeschaut, sondern Fotos von Zwölfjährigen getauscht, so die „Washington Post“. Grisham zog die Kritik zurück und entschuldigte sich. Zur gleichen Zeit wurde er für „Gray Mountain“ (deutscher Titel „Anklage“; erscheint Anfang März) mit Lob überhäuft. Die „Washington Post“ schrieb: „Wenn es je einem bedeutenden Schriftsteller gelang, unsere zunehmend schamlose Gesellschaft anzuprangern, dann in 'Gray Mountain'.“