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PARIS
Das deutsche Phänomen Winnetou
dpa
 |  aktualisiert: 05.02.2014 18:10 Uhr

In Deutschland ein Star – in Frankreich ein Unbekannter. „Winnetou“-Darsteller Pierre Brice ist ein Phänomen. Selten wurde ein Schauspieler mit einer Rolle so identifiziert wie der Franzose. Obwohl sein Indianerkostüm seit Jahrzehnten im Schrank hängt, wird um den Darsteller, der an diesem Donnerstag, 6. Februar, 85 Jahre alt wird, Personenkult betrieben. Nicht so in seinem Heimatland.

Pierre Brice ist ein rein deutschsprachiges Phänomen. Warum das so ist, hat für ihn zwei Gründe. „In Frankreich war und ist Karl May nicht bekannt. Dort gab es andere Helden, ,Die drei Musketiere' zum Beispiel von Alexandre Dumas“, sagte der noch immer gut aussehende Franzose vor knapp zwei Jahren. Der zweite Grund sei womöglich der, dass die Deutschen sich nach dem Krieg nach Romantik und Werten sehnten, für die Winnetou und die Karl-May-Filme stehen.

Karl May (1842-1912) war einer der produktivsten deutschen Autoren von Abenteuerromanen. Sein Werk wurde in mehr als vierzig Sprachen übersetzt. Nur in Frankreich, Großbritannien und den USA ist er weitgehend unbekannt. Auch Brice hatte bis zu seinem ersten Dreh – „Der Schatz im Silbersee“ 1962 – nie Karl May gelesen. Danach wurde er zum Spezialisten. Bis 1968 spielte er die Rolle des Winnetou in insgesamt elf Karl-May-Filmen.

Protestwelle nach dem Filmtod

Das deutsche Publikum war begeistert. So sehr, dass sein Filmtod im Jahr 1965 eine Protestwelle auslöste, die den beliebten Indianer für kurze Zeit wieder auferstehen ließ. Brice war mit seiner Minimalmimik zur Idealverkörperung des Mayschen Indianerhäuptlings geworden. Ob „Das Traumschiff“, „Ein Schloss am Wörthersee“ oder „Die Hütte am See“: Mit seinen Auftritten danach hatte er keinen vergleichbaren Erfolg.

In Deutschland ein Star, in Frankreich der „berühmte Unbekannte des französischen Kinos“, wie die Presse ihn nach einem Arte-Dokumentarfilm im Jahr 2007 nannte. Dabei waren seine Anfänge vielversprechend. Er spielte unter anderem in „Le Miroir a deux faces“ von André Cayatte und „Les Tricheurs“ von Marcel Carné. Sein Gesicht war dem Publikum nicht unbekannt. Doch Ende der 1950er Jahre gab es keinen Mangel an Schauspieler-Jungstars. Er musste mit Jean-Paul Belmondo und Alain Delon konkurrieren, dem er zudem ähnlich sah.

„Beide hatten eine gewisse Ähnlichkeit. Beide übten denselben Beruf aus. Pierre gelang es nicht, sich in Frankreich zu behaupten“, meinte auch der Schauspieler Gérard Chambre. Die introvertierte, zurückhaltende Art von Brice tat ein Übriges. So ging der Beau nach Italien und Spanien, wirkte dort in zahlreichen Mantel- und Degenfilmen mit, bevor ihn der deutsche Produzent Horst Wendlandt entdeckte und ihm die Rolle seines Lebens gab: Winnetou, den er nach seinen Film- und TV-Versionen auch bei den Karl-May-Festspielen in Elspe und in Bad Segeberg mimte.

Noch lebt Brice in seinem Jagdschloss in der Nähe von Paris. Doch seiner deutschen Frau zuliebe lässt er sich derzeit ein Haus in Garmisch bauen. Wenn er gehe, wolle er, dass seine Frau bei ihrer Familie sei, sagte er der „Bild“-Zeitung vor wenigen Monaten. Der Umzug sei für Juni 2014 geplant. „Meine ewigen Jagdgründe liegen in Deutschland“, erklärte er. Brice scheint den edlen Apachenhäuptling bis zum Schluss verkörpern zu wollen.

 
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