Er war Jurist, Geigenvirtuose, Komponist, Romanautor und Okkultist: Jules Siber, geboren 1871 in Dettelbach (Lkr. Kitzingen), aufgewachsen in Würzburg, gestorben 1943 in Berlin, zählt zweifellos zu den schillerndsten Künstlerpersönlichkeiten des frühen 20. Jahrhunderts. Als Musiker enorm erfolgreich als "wiederauferstandener Paganini" oder "Lucifers Geiger", als Schriftsteller gefeiert für Romane mit Titeln wie "Satan Triumphator" oder "Incubus – ein okkulter Roman aus der Würzburger Hexenzeit", geriet er nach seinem Tod weitgehend in Vergessenheit.
Die Würzburger Veranstaltungsreihe "Kultur ausm Hut" im Park der Umweltstation am Nigglweg widmet Jules Siber am Samstag, 28. August, 19 Uhr, einen ganzen Abend. Ralph Philipp Ziegler, der soeben die erste Biografie über den geheimnisumwitterten Künstler geschrieben hat, wird erstmals Auszüge daraus präsentieren. Den Literaten Siber stellt der Würzburger Antiquar Daniel Osthoff vor.
Die Geigerin Samira Spiegel wird zwei Kompositionen Sibers spielen (Klavier: Nina Scheidmantel), die als verschollen galten, von Ralph Ziegler aber wieder ausgegraben wurden: "Chanson d'Ucraine" und den legendären "Hexentanz", eines der Stücke, mit denen Siber sein Publikum regelmäßig hinriss. Das enorm schwere Stück einzustudieren, war harte Arbeit, erzählt Samira Spiegel: "Ich habe bei einigen Passagen gerätselt, wie das überhaupt gehen soll. Ich habe große Hände, aber manches kann ich kaum greifen." Im Gegensatz etwa zu den Werken Paganinis sei das Stück vollkommen unkonventionell, sozusagen ungeigerisch komponiert.
Samira Spiegel glaubt deshalb, dass auch Jules Siber seine Mühe mit der Komposition hatte. Tatsächlich monierten zeitgenössische Kritiker gelegentlich Intonationsschwächen. "Das Publikum war begeistert, die Fachwelt weniger", sagt die junge Solistin. Dennoch: Die Mühe hat sie nicht nur für dieses eine Konzert auf sich genommen, den "Hexentanz" will sie auch in zwei weitere Programme einbauen.
Wenn ihm auf der Bühne danach war, ließ er seine Dämonen raus
Biograf Ralph Philippp Ziegler hält Jules Siber durchaus für einen ernstzunehmenden, dabei sehr eigensinnigen Musiker, auch wenn die klassische Fachwelt ihn nie anerkannt habe. So habe er mit bedeutenden Lehrern und Komponisten wie Max Reger gearbeitet, die sich wohl kaum mit einem Dilettanten abgegeben hätten. "Er konnte sauber spielen, wenn er das wollte. Aber mitunter war ihm auf der Bühne das Ausleben seiner Persönlichkeit wichtiger. Da hat er dann die Dämonen rausgelassen und nicht die Technik priorisiert."
Seit den 1990er Jahren hat Ziegler sich mit Siber beschäftigt, zuletzt fünf Jahre lang intensiv. Mit dessen okkultistischen Interessen, seinem unstillbaren Lesehunger nach philosophischen und religiösen Werken, seinem Mut, sich zu seiner Homosexualität zu bekennen, und öffentlich für die Rechte der Homosexuellen einzutreten. "Siber war immer aufrichtig und hatte keine Angst anzuecken", sagt Ziegler. "Er hat in jeder Situation so reagiert, wie es seiner Persönlichkeit entsprach. Das musste bei gleichem Anlass nicht immer die gleiche Reaktion sein, aber sie war immer aufrichtig."
Oder, wie es der Würzburger Heiner Dickreiter, Gründer der städtischen Galerie, in seinem Nachruf 1943 formulierte: "Ein Künstlermensch, der in keine Schablone passte, und der den Mut hatte, ein Eigener zu sein."
Kultur ausm Hut: "Jules Siber - Lucifers Geiger", 28. August, 19 Uhr, Park der Umweltstation am Nigglweg, Würzburg. Eintritt frei, Platzreservierung unter www.neunerplatz.de