„Lincoln“ ist mit zwölf Nominierungen der klare Favorit im Oscar-Rennen – doch aus deutscher Sicht schaffte Michael Hanekes Altersdrama „Liebe“ die Sensation: Die deutsch-österreichisch-französische Koproduktion wurde am Donnerstag in Hollywood in fünf Hauptkategorien für den wichtigsten Filmpreis der Welt nominiert. Steven Spielbergs Geschichtsdrama „Lincoln“ steht mit zwölf Nennungen an der Spitze vor „Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger“ von Ang Lee und „Silver Linings“ von David O. Russell.
„Ich freue mich außerordentlich“, ließ der in München geborene Österreicher Haneke ausrichten. „Jede Anerkennung bedeutet auch, dass meine Arbeit in Ordnung gewesen ist.“ „Liebe“ kann die goldene Statuette in den Kategorien Bester Film, Beste Regie, Bester ausländischer Film, Bestes Drehbuch und Beste Hauptdarstellerin gewinnen. Emmanuelle Riva, die Hauptdarstellerin, ist mit 85 Jahren die älteste Kandidatin in der Oscar-Geschichte. Ihre neunjährige Kollegin Quvenzhané Wallis aus dem Überraschungshit „Beasts of the Southern Wild“ ist die jüngste Kandidatin in mehr als 80 Jahren Oscars.
Die Chancen von James Bond
„Lincoln“ schildert die entscheidenden Monate vor 150 Jahren, die mitten im Bürgerkrieg zur Befreiung der Sklaven in den USA führten. Daniel Day-Lewis wurde für seine Darstellung des 16. Präsidenten hochgelobt – nun kann er einen Oscar gewinnen. Auch Spielbergs Werk ist als Bester Film und für die Beste Regie nominiert, ebenso wie Ang Lees „Life of Pi“.
Zu den weiteren Favoriten zählen die Tragikomödie „Silver Linings“ mit acht Nennungen sowie der Politthriller „Argo“ von Ben Affleck und „Les Misérables“ mit jeweils sieben Nennungen. Quentin Tarantinos „Django Unchained“ kommt ebenso wie der Bin-Laden-Thriller „Zero Dark Thirty“ auf fünf Nominierungen. Mit Tarantinos Western kann der Deutsch-Österreicher Christoph Waltz, der einen Kopfgeldjäger spielt, seinen zweiten Oscar als bester Nebendarsteller gewinnen. Seinen ersten bekam er 2010 für seine Rolle im Tarantino-Film „Inglourious Basterds“. Der James-Bond-Film „Skyfall“ kann ebenfalls fünf Oscars holen, allerdings nur in Nebenkategorien.
Außer Hanekes Film gibt es noch weitere deutsche Aspekte bei der diesjährigen Oscar-Gala. Um den Auslandsoscar konkurriert „Liebe“ mit „Die Königin und der Leibarzt“ des Dänen Nikolaj Arcelm, ein Film mit starker deutscher Beteiligung. Zudem wurde die NDR-Koproduktion „Töte zuerst – Der israelische Geheimdienst“ („The Gatekeepers“) als beste Dokumentation nominiert.
In der Kategorie Bester Film konkurrieren außerdem „Argo“, „Zero Dark Thirty“, „Les Misérables“, „Silver Linings“, „Beasts of the Southern Wild“. Auf den Regie-Oscar dürfen außerdem noch hoffen David O. Russell und Benh Zeitlin („Beasts of the Southern Wild“).
In der Kategorie Bester Hauptdarsteller treten gegeneinander an Daniel Day-Lewis („Lincoln“), Joaquin Phoenix („The Master“), Denzel Washington („Flight“), Bradley Cooper („Silver Linings“) und Hugh Jackman („Les Misérables“), bei den Hauptdarstellerin: Jessica Chastain („Zero Dark Thirty“), Naomi Watts („The Impossible“), Jennifer Lawrence („Silver Linings“), Emmanuelle Riva („Liebe“) und Quvenzhane Wallis („Beasts of the Southern Wild“).
Von Robert De Niro bis Helen Hunt
Christoph Waltz' Konkurrenten sind Robert De Niro („Silver Linings“), Alan Arkin („Argo“), Philip Seymour Hoffman („The Master“) und Tommy Lee Jones („Lincoln“). Um den Oscar für die Beste Nebendarstellerin sind im Rennen Sally Field („Lincoln“), Anne Hathaway („Les Misérables“), Helen Hunt („The Sessions – Wenn Worte berühren“), Amy Adams („The Master“) und Jacki Weaver („Silver Linings“)
Dass die Oscar-Verleihung in Los Angeles ein vergnüglicher Abend werden könnte, ließ Moderator Seth MacFarlane („Family Guy“) schon erahnen. „Ich gratuliere allen, die nominiert wurden, und auch allen, die nicht nominiert wurden. Sie können nun aufhören, in Interviews ständig zu sagen, dass sie bei den Dreharbeiten unheimlich viel Spaß hatten.“
Die Oscars werden am 24. Februar in Hollywood zum 85. Mal vergeben. Den letzten Auslandsoscar hatte Florian Henckel von Donnersmarck 2007 mit seinem Stasi-Drama „Das Leben der Anderen“ nach Deutschland geholt.
Oscar
Der begehrteste Filmpreis der Welt heißt offiziell „Academy Award of Merit“. Die Auszeichnung wird jährlich von der Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS) in Los Angeles verliehen. Traditionell gibt die AMPAS einen Monat vor der Verleihung ihre Nominierungen bekannt, die allein schon als besondere Ehre gelten. In diesem Jahr hatten 5856 Akademie-Mitglieder erstmals die Möglichkeit, ihr Votum elektronisch abzugeben. Die Nominierten in den mehr als 20 Kategorien, die in einem zweiten Schritt die meisten Stimmen der Akademie-Mitglieder erhalten, werden mit dem Oscar ausgezeichnet. Die rund 35 Zentimeter hohe Statuette ist etwa vier Kilogramm schwer und mit Gold überzogen. Die Figur gleicht einem Ritter. Sie steht auf einer Filmspule und stützt sich auf ein Schwert. Der deutsche Schauspieler Emil Jannings erhielt die begehrte Trophäe 1929 als Erster – für seine Rollen in den Stummfilmen „Der Weg allen Fleisches“ (Regie: Victor Fleming) und „Sein letzter Befehl“ (Regie: Josef von Sternberg). 2809 Oscars wurden mittlerweile überreicht. Die Filme mit den meisten Oscars: Film Oscars/Nominierungen Titanic (1997) 11/14 Ben Hur (1959) 11/12 Der Herr der Ringe 3 (2003) 11/11 West Side Story (1961) 10/11 Der englische Patient (1996) 9/12 Gigi (1958) 9/9 Der letzte Kaiser (1987) 9/9 Vom Winde verweht (1939) 8/13 Verdammt in alle Ewigkeit (1939) 8/13 Die Faust im Nacken (1954) 8/12 My Fair Lady (1964) 8/12 Amadeus (1984) 8/11 Gandhi (1982) 8/11 Cabaret (1972) 8/10 Slumdog Millionär (2008) 8/10