Ein Großmeister des Kunstliedes betritt die Bühne im vollen Burkardushaus beim Festival Lied in Würzburg, und sofort gehört ihm die volle Aufmerksamkeit. Geradezu greifbar ist die Stille, in die hinein Christoph Prégardien seinen lyrischen Tenor erklingen lässt. Seit mehr als 30 Jahren zählt er zu den führenden deutschen Liedsängern.
An diesem Abend stellt er unter dem Titel "Waldestraum" Lieder von Franz Schubert denen von Wolfgang Rihm gegenüber, die dieser 1999 eigens für ihn komponiert hat. Beide Zyklen handeln von Verlust, von Tod und Trauer. Bei Schuberts "Auf der Bruck" geht Prégardien damit zunächst eher forsch um. Bei "Im Frühling" hat man den Eindruck, da steht einer, der sich an etwas weit Zurückliegendes erinnert, und auch sein Begleiter Alexander Fleischer legt über den eigentlich anfangs recht freundlichen Klavierpart einen leichten Nebel.
Eine Welt voller Tod, Irrsinn und letztendlich auch Selbstfindung
Bei Rihm geht Prégardiens Ton immer weiter zurück, bis der Klang erstirbt, graue, fahle Farben dominieren, zerrissen wirkt vieles, nur hohl hingetupft. Aber er singt sehr plastisch, sein Legato verbindet er mit fantastischer Diktion: Jedes Wort ist verständlich, jede Silbe hat ihren Wert. Jede kleine Nuance bekommt eine Bedeutung. Auch im Fortissimo bleibt Prégardiens Stimme klar, er setzt das Vibrato sehr dosiert ein. In "Traumwald" von Rihm heißt es: "Heut nacht durchschritt ich einen Wald im Traum Er war voll Grauen". Prégardien und Fleischer lassen sich tief hineingleiten in diese Welt voller Tod, Irrsinn und letztendlich auch Selbstfindung.
Im "Liederkreis" von Robert Schumann ist sie nochmals sehr deutlich, die Erfahrung eines Sängerlebens, die Tiefe, die Reife, der unmittelbare Ausdruck, aber auch der betrachtende Abstand, die Traurigkeit aus dem Nachher. Unglaublich, wie der Sänger in "Auf einer Burg" die absolute Verlassenheit in den Raum stellt – grandios! Als Zuhörer kann man sich dem "Graun" im "Zwielicht" kaum entziehen. Was sich "morgen neugeboren" erheben soll, wird allein durch die Farbe in der Stimme schon zur Farce.
Wesentlichen Anteil am Erlebnis hat Alexander Fleischer am Flügel, Festivalintendant und Pianist bei fünf Konzerten: absolut präsent kann er steht und frei aus dem Augenblick heraus gestalten. Die letzte der drei Zugaben - "Musensohn" von Schubert - ist laut Prégardien das "einzige fröhliche Lied des Abends". Das Publikum feiert beide Künstler mit Ovationen.
Das Festival Lied Würzburg läuft noch bis 19. März. Auf dem Programm stehen weitere acht Konzerte. Nähere Informationen unter www.festival-lied-wuerzburg.de