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FRANKFURT
Christian Morgenstern: Nachtigall und Tagtigall
reda
 |  aktualisiert: 25.03.2014 17:48 Uhr

Er war einer der großen Humoristen unter den deutschen Lyrikern, ein Sprachschöpfer, der eine komisch-surreale Welt erfand. Vor 100 Jahren, am 31. März 1914, starb Christian Morgenstern im Alter von 42 Jahren. Sein Vorbild war Wilhelm Busch. Er selbst wurde zum Anreger für Dada-Poeten und Kabarettisten, für Dichter wie Joachim Ringelnatz, Ernst Jandl oder Robert Gernhardt, für Heinz Erhardt und Loriot.

Morgensterns humoristische Gedichte, gesammelt in „Galgenlieder“, „Palmström“, „Palma Kunkel“ und „Der Gingganz“, spielen in einer fantastischen Welt, in der es von seltsamen Gestalten nur so wimmelt. Die Galgenbrüder treten auf, Palmström und Korf und höchst merkwürdige Tiere: das Mondschaf und das Löwenreh, der Nachtschelm und das Siebenschwein. Neben die Nachtigall kann eine Tagtigall treten.

Treffend ist Morgensterns Widmung für die „Galgenlieder“, frei nach Nietzsche: „Dem Kind im Manne“. Gemeint ist die Freiheit der Kinder, der Jungen wie der Mädchen, mit der Sprache zu spielen, Geschichten zu erfinden, eine eigene Logik zu entwickeln, die dem rationalen Denken der Erwachsenen fremd ist. Auch der Tod ist in vielen Versen so selbstverständlich wie das Leben. Es sterben der Rabe Ralf und sogar das Mondschaf, das später wieder leben wird. Im Gedicht sind alle sterblich und unsterblich zugleich. Es gibt bei ihm aber auch den reinen, intelligenten Sprachwitz, zum Beispiel im berühmten Gedicht „Das aesthetische Wiesel“: „Ein Wiesel / saß auf einem Kiesel / inmitten Bachgeriesel. / Wißt ihr / weshalb? / Das Mondkalb / verriet es mir / im Stillen: / Das raffinier- / te Tier / tat's um des Reimes willen.“ Morgenstern kam am 6. Mai 1871 in München zur Welt. Nach einem abgebrochenen Jurastudium in Breslau zog er 1894 nach Berlin und schrieb für Kulturzeitschriften wie „Neue deutsche Rundschau“, „Jugend“ oder „Freie Bühne“. Ab 1897 arbeitete er auch als Übersetzer der skandinavischen Schriftsteller August Strindberg, Henrik Ibsen und Knut Hamsun.

1903 wurde er Redakteur der Zeitschrift „Das Theater“ im Verlag Bruno Cassirer. Parallel zu seiner Brotarbeit brachte er schon ab 1895 Gedichtbände heraus. Am bekanntesten und erfolgreichsten wurden die „Galgenlieder“. Insgesamt erschienen 15 Gedichtsammlungen bis zu seinem frühen Tod 1914 in Meran. Er starb an Tuberkulose, an der er lange gelitten hatte und die ihn immer wieder zu Kuraufenthalten zwang.

In diesen von Krankheit bestimmten Jahren fand Morgenstern zur Religion, und er schloss sich der Anthroposophischen Gesellschaft von Rudolf Steiner an. 1910 heiratete er seine Freundin und Mitarbeiterin Margareta Gosebruch. Sie gab später aus dem Nachlass weitere Lyriksammlungen heraus, darunter auch heute weithin vergessene Liebes- und Naturgedichte. Morgensterns Nonsens-Verse stecken voller Seitenhiebe gegen Bürokraten, Schwätzer, Ideologen, Politiker. Und sie sind erstaunlich hellsichtig in ihrer Welterklärung. Sein „Korf“ fürchtet, dass eines Tages die Sonne nicht mehr scheinen wird „und entwirft Statuten eines / Klubs zum Schutz des Sonnenscheines“. Nichts ohne Bürokratie. Palmström, der darunter leidet, keine Post zu bekommen, bestellt im „Warenhaus für Kleines Glück“ die Sendung „Gemischte Post“. Danach quillt sein Briefkasten über. „Und ihm wird schon wirr und weh . . . / Doch es / ist ja nur das W.K.G.“. Facebook vor 100 Jahren.

Christian Morgenstern ist auch ein Vorläufer der konkreten Poesie: „Fisches Nachtgesang“ (siehe oben) besteht nur aus kleinen Strichen und konkaven Bögen, so angeordnet, dass sie den Umriss eines Fisches ahnen lassen. Stiller kann ein Gedicht nicht sein, Morgenstern selbst nannte es „das tiefste deutsche Gedicht“.

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