Ursprünglich wollte er das alles gar nicht. Denn eigentlich hatte der junge Christian Kabitz Philosoph werden wollen. Er schrieb sich an der Münchner Uni ein, schloss das Studium als Magister Artium ab. Doch: Was macht man so als Philosoph? Womit verdient man seinen Lebensunterhalt? „Ich kenne einige Philosophen, die eine Kneipe aufgemacht haben“, sagt Kabitz heute und lacht. Gut, dass alles ganz anders gekommen ist, findet er, und er sein Leben nicht als Kneipier, sondern als Musiker verbracht hat. Jetzt geht Christian Kabitz als Kirchenmusikdirektor der Würzburger Johanniskirche in den Ruhestand.
Seinerzeit, in München, war der junge Kabitz nahezu ins Kirchenmusikstudium gedrängt worden. Der gebürtige Nürnberger hatte da schon Orgel gespielt, Chöre geleitet, Konzerte dirigiert, „ohne zu wissen, wie man das macht“. Und der Philosoph wurde zum Kirchenmusiker mit Leib und Seele. „Ich liebe es, Gottesdienste zu spielen.“ Doch da war immer auch mehr. Kabitz komponierte und dirigierte Opern, führte Regie, stieß ein international erfolgreiches Crossover-Projekt an und arbeitete als Kulturmanager.
Die Leitung der Würzburger Bachtage ist mit der Kirchenmusikdirektor-Stelle an St. Johannis verknüpft und war der entscheidende Grund, dass der junge Kabitz die Christuskirche in München verließ. Dort hatte er den Chor erweitert und Bürger schockiert, als er das Musical „Jesus Christ Superstar“ aufführte. „Wir mussten unter Polizeischutz spielen“, erinnert er sich amüsiert. Jesus und Rockmusik, das fand damals manch einer anstößig.
Kabitz hat derartige Schranken nicht in seinem Kopf. Er komponierte bei „Cosmogenia“ mit, einem opulenten Opus aus Rock, Jazz und Klassik, führte Rock-Requiems bei Kirchentagen auf. Ohne kleinliche Bedenken um die angebliche Unantastbarkeit der Hochkultur hob er die noch heute erfolgreiche Reihe „Rock meets Classic“ aus der Taufe. In den frühen 1990ern ging's mit Sinfonieorchester und Gary Brooker von Procol Harum auf Europatour. Die Säle waren voll, Kabitz und Kollegen spielten bei Gottschalks „Wetten, dass . . ?“ vor Millionen Fernsehzuschauern. Er stieg dennoch aus. „Geld allein macht's doch nicht“, überlegt er rückblickend. „Irgendwann fragst du dich: ,Wo sind deine Wurzeln?‘“
Die Sache mit dem Mainfranken Theater
Der Manager Kabitz war nicht nur bei den Bachtagen gefordert. Von 2008 bis 2013 leitete er zusätzlich das Würzburger Mozartfest. Er wollte es stärker im Bewusstsein der Bevölkerung verankern, wollte weg vom rein Elitären – und stieß bei der Umsetzung an Grenzen des in Würzburg Machbaren. Dennoch hat er das Festival vorangebracht. So etablierte er etwa den Mozarttag, bei dem in der ganzen Innenstadt musiziert wird, räumte Kinderkonzerten breiteren Raum ein, brach das Konzept für neue Formen auf (etwa Breakdance). „Es war eine schöne Zeit“, resümiert er. Seiner Nachfolgerin, Evelyn Meining, attestiert Kabitz neidlos (und selbstkritisch): „Sie ist mit dem Gedanken, ein Festival für alle zu machen, weitergekommen als ich.“
Um die Jahrtausendwende war der vielseitige Christian Kabitz sogar als Intendant fürs Würzburger Mainfranken Theater im Gespräch: „Das war ehrenvoll, aber nicht durchführbar.“ Die Geldknappheit der Stadt bedrohte damals auch das Theater. Kabitz hätte das Dreispartenhaus zum Gastspieltheater eindampfen sollen. „Der Totengräber des Theaters wollte ich wirklich nicht werden“, kommentiert er im Rückblick und wundert sich, „was sich Politiker manchmal so ausdenken“.
„Wenn es nicht so viel Arbeit gäbe, wäre das Leben nur halb so schön“, pflegte er zu sagen, wenn er auf die Menge seiner Aktivitäten angesprochen wurde. Dass es für ihn im Ruhestand schön bleibt, dafür hat Kabitz gesorgt. Würzburg, die Stadt, deren Kulturleben er 37 Jahre lang mitgeprägt hat, wird er Anfang nächsten Jahres verlassen. Entweder Richtung Heidelberg oder München. Jedenfalls wird Christian Kabitz weiterhin den Cäcilienchor Frankfurt und den Bachchor Heidelberg leiten und Kinderkonzerte in der Alten Oper. Dort wird er auch Bachkonzerte moderieren. Er wird hie und da bei einem Festival einen Programmpunkt bestreiten.
Und er will weiterhin komponieren. „Circus Barbirolli“, eine seiner Opern für Kinder, laufe derzeit sehr gut, vor allem im Osten der Republik. „Über 60 Aufführungen“, freut sich Christian Kabitz. Und dann ist da noch die Chorakademie in Siena. Jahr für Jahr verbringt Kabitz in der Toskana drei Sommerwochen mit Chorleitern in einem ehemaligen Palazzo – für ihn auch Urlaub.
Im nächsten Mai will er schon mal vorab in die Toskana reisen, um mit den Köchen zu sprechen. Zum Beispiel darüber, wie dick die Teiglagen in der Lasagne maximal sein dürfen. Wäre Christian Kabitz bei der Philosophie geblieben, aus ihm wäre womöglich auch ein Wirt geworden . . .