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WÜRZBURG
Chancen und Risiken der Ironie
Er redet gerne Klartext: Interview mit dem Kabarettisten Florian Schroeder
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Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:03 Uhr

Er kann sich schon mal so richtig in Rage reden. Zum Beispiel, wenn es um die Freuden der zeitgenössischen Konsumwelt geht. Wenn er von seinen Versuchen berichtet, einen kleinen Cappuccino bei Starbucks zu bestellen. Oder wenn er das jüngste In-Getränk probieren soll – Hugo. Dann kann der Kabarettist Florian Schroeder auch richtig deutlich werden: „Was ist das für eine Turnbeutelvergesserwarmduscherkacke?“ Schroeder, am 29. und 30. April im Würzburger Bockshorn, liebt die Ironie, aber er misstraut ihr auch. Deshalb sagt er – in Kreisen des Politkabaretts eine eher seltene Erscheinung – hin und wieder geradeheraus, ganz unironisch seine Meinung. Das ist dann nicht nur für ihn selbst befreiend.

FRage: Ihr Programm heißt „Entscheidet Euch!“ Was war denn Ihre letzte große Fehlentscheidung?

Florian Schroeder: Meine letzte große Fehlentscheidung war dass ich damals, als meine Kabarettkarriere begann, beim SWR3 noch weiter gearbeitet habe.

Ich hatte immer weniger Zeit und fühlte mich in meiner Radiomoderatorenrolle immer weniger wohl – ich präsentierte damals eine Sendung im Niemandsland zwischen 4 und 6 Uhr –, habe mich aber nicht getraut, das zu beenden und zu sagen, Freunde, ich gehe jetzt auf die Bühne. Und dann haben sie – vollkommen nachvollziehbar – die Reißleine gezogen, weil ich es nicht getan habe und immer weniger Zeit für den Job hatte. Das ist das Schlimmste, was einem passieren kann, und das erzähle ich heute auch im Programm: Die Entscheidungen, die wir am längsten bereuen, sind die, die wir nicht selbst getroffen haben, wo uns das Zepter aus der Hand genommen wurde, wo wir Autonomie aufgegeben haben.

Der Programmtitel ist also wörtlich gemeint?

Schroeder: Absolut – das ist eine Aufforderung. Im Grunde ist es ein Versuch, unsere Zeit zu verstehen über ein Thema, das uns alle betrifft. Wichtig ist, das Thema an unseren Problemen heute scharf zu stellen: Es ist heute so schwer wie selten, Entscheidungen zu treffen, weil wir scheinbar unendliche Optionen haben, uns aber gleichzeitig gezwungen sehen, optimale Entscheidungen zu treffen. Und ich frage: Warum müssen es immer optimale Entscheidungen sein? Wohin führt das? Und ist manchmal weniger mehr?

Sie beschreiben die Selbstoptimierer, die Helikoptereltern, die Selbstbespiegler. Während die sich mit sich selbst beschäftigen, erleben wir politisch dramatische Zeiten. Haben die Selbstoptimierer Mitschuld am Aufstieg der Rechten?

Schroeder: Das ist eine gute Frage. Es ist vielleicht eher eine Antwort auf eine Zeit, die Optionenvielfalt zu einer Art Bibel hat werden lassen. Rechte Parteien bieten einfache Antworten in einer hochkomplexen Welt, das macht sie so gefährlich. Ich würde einen Zusammenhang auch am Begriff der alternativlosen Entscheidungen festmachen wollen. Ich glaube, es ist, weit über die sprachliche Ebene hinaus, kein Zufall, dass die Partei „Alternative für Deutschland“ heißt. Nachdem zehn Jahre eine Kanzlerin regiert hat, die von „alternativlosen Entscheidungen“ gesprochen hat. Was zunächst mal ja ein argumentationslogischer Irrsinn ist, denn es gibt keine alternativlosen Entscheidungen. Wenn ich eine Entscheidung treffe, habe ich eine Alternative, sonst ist es keine Entscheidung. Wenn ich keine Alternative habe, ist es keine Entscheidung. Dann ist es eine Notwendigkeit. Um das Land politisch einzuschläfern, hat sie uns das aber über viele Jahre eingeredet.

Und darauf haben sich mehr oder weniger alle in einem linken oder pseudolinken Mainstream einigen können, von CDU über SPD bis zur Linken. Die einzigen, die noch ein bisschen rausstachen, waren die von der CSU. Aber es gab für all diejenigen, die sich von alternativlosen Entscheidungen nicht vertreten fühlten, kein politisches Sprachrohr.

Und das ist jetzt die sogenannte Alternative für Deutschland?

Schroeder: Ja, und es ist ein rassistisches Sprachrohr, weil die AfD Rassisten in ihren Reihen wohlwollend duldet, wie etwa den Herrn Höcke aus Thüringen. Das ist ja eine weit gefährlichere Bewegung als nur eine Partei, die den Rand rechts der CDU füllt. Es ist, glaube ich, auch kein Zufall, dass in der Partei viele Männer um die 60, 65, 70 sind, die vom Look her ganz stark an die 80er-Jahre von Helmut Kohl erinnern. Und die auch in diese Zeit zurück wollen, in der alles scheinbar klarer oder einfacher war.

Ein Kennzeichen des intellektuellen Politkabaretts ist die Ironie. Sie aber sagen vollkommen unironische Sätze wie „es ist so Vieles verlogen, was da gelaufen ist“. Es scheint eines Ihrer Markenzeichen zu sein, dass Sie oft einfach sagen, was Sie meinen.

Schroeder: Ironie ist, wie Markus Lüpertz einmal so schön gesagt hat, die Verzweiflung der Intellektuellen. Ich liebe die Ironie. Es gibt auch viele ironische Momente im Programm, genau wie es die gibt, die Sie beschreiben, wo ich Klartext spreche und recht eindeutig sage, wie ich die Dinge wahrnehme. Ich sehe Ironie ambivalent – ich glaube, sie hat sich in den letzten Jahren fast epidemisch über die Comedy- und Kabarettszene gelegt. Alle waren ironisch, alle betrieben das Spiel mit den Metaebenen. Alle haben die Ironisierung der Ironie betrieben. Man sagt etwas, indem man das Gegenteil davon sagt, macht sich aber immer auch unangreifbar, ironisch sein heißt, in der Schwebe bleiben, es ist das Versteckspiel des Humors. Vielleicht hat sich die Ironie zu Tode gesiegt. Und mitunter ist Ironie ein Versteckspiel. Um Haltung nur mittelbar zu zeigen oder gar nicht klar werden zu lassen. Aber ich finde es punktuell befreiend, mich nicht zu verstecken, sondern zu sagen: Das ist meine Haltung.

Was ist dabei Ihr Antrieb?

Schroeder: Ich glaube, es gibt zu wenig davon. Ich will punktuell Reibungsfläche bieten und sagen: Das ist meine Position, arbeitet euch daran ab, widersprecht mir! Man hat das ja auch bei den Landtagswahlen gesehen: Mit Kretschmann und Malu Dreyer haben Figuren gewonnen, bei denen man wusste, woran man ist. Wenn Kretschmann sagt, ich bete für die Kanzlerin und ihre Flüchtlingspolitik, dann ist das eine Aussage, mit der man arbeiten kann. Wenn Julia Klöckner, der personifizierte Plan A2 der Politik, permanent eiert und gerade mal ein bisschen für Merkel und dann wieder doch eher für Seehofer ist, aber doch nicht so richtig, dann wird das abgewatscht, und das finde ich ziemlich gut.

Ein Vorwurf an das Kabarett ist, das es sich an Leute wendet, die ohnehin bereits überzeugt sind. Sie klingen jetzt ein wenig, als befänden Sie sich auf einer Mission in die berühmte Mitte der Gesellschaft. Als wollten Sie Ihr Publikum auffordern, Haltung auch über den Besuch beim Kabarett hinaus zu zeigen.

Schroeder: Aus den Teufelskreis, dass mir Leute folgen, die tendenziell eher meiner Meinung sind, komme ich kaum heraus. Wir suchen nach Bestätigung, auch darüber erzähle ich in der Show.

Warum es gut, aber auch sehr gefährlich ist. Das gilt für Sie als Zeitung genauso. Die Leute, die sich nur über Facebook informieren, die Verschwörungstheoretiker, die „Lügenpresse“-Rufer, die werden Sie nicht als Leser gewinnen. Sie können nur versuchen, das Vertrauen derer zurückzugewinnen, die dialogbereit sind. So wie ich versuchen kann, den Kreis derer auch für politische Themen zu begeistern, die vielleicht im ersten Moment nicht politisch sind. Ich kann die Scheinwerfer umdrehen und das Politische im Alltäglichen suchen, diese Die-da-oben-Haltung rausnehmen und eher sagen: Wir alle sind die Bösen, nicht nur die da oben. Man braucht gar nicht nur auf Hoeneß oder die Banker zu deuten. Jeder, der bei der Versicherung den Fernseher zu hoch ansetzt, jeder, der U-Bahn fährt, ohne zu bezahlen, und jeder, der die Putzfrau schwarz beschäftigt – wir alle zocken im Rahmen unserer Möglichkeiten.

Ein wichtiger Teil Ihrer Programme ist immer auch die Parodie – Merkel, Schäuble und andere. Können Sie sich vorstellen, auch mal einen Björn Höcke oder gar eine Frauke Petry zu parodieren, so konturlos sie auch erscheinen mag?

Schroeder: Selbstverständlich, Konturlosigkeit war noch nie ein Hindernis. Ich habe auch schon sehr ausstrahlungsfreie Figuren wie Philipp Rösler parodiert. Und so konturlos sind die gar nicht. Kontur entsteht ja nicht durch sprachliche Gebrechen wie nuscheln oder lispeln. Kontur entsteht durch inhaltliche Angreifbarkeit.

Gibt es eine neue Figur, an der Sie arbeiten?

Schroeder: Ich gebe niemals Werkstattberichte darüber ab, woran ich gerade arbeite. Denn wenn's nichts wird, werden Sie in einem Jahr zu mir sagen: Damals haben Sie aber an dem und dem gearbeitet. Und dann müsste ich mein Scheitern eingestehen, und das ist das Letzte, was ich möchte.

Florian Schroeder

Der Kabarettist Florian Schroeder, geboren 1979, wuchs in Lörrach auf und studierte Germanistik und Philosophie. Er lebt in Berlin. Mit 14 hatte er einen ersten kurzen Auftritt in Harald Schmidts Fernsehsendung „Schmidteinander“ (1993), bei dem er Prominente parodierte, was seither eines seiner Markenzeichen ist. Nach dem Abitur tourte er drei Jahre lang mit dem Kabarett-Ensemble „Heinz!“, einer Hommage an Heinz Erhardt. Er moderierte zeitweise beim SWR-Hörfunk. Mit seinem ersten eigenen Kabarettprogramm („Auf Ochsentour“) tourte er 2004. Seit 2009 präsentiert Schroeder den Live-Kabaretttalk „Seitensprung“ bei 3sat. Für die „Frankfurter Neue Presse“ verfasst er regelmäßig eine Kolumne. 2011 veröffentlichte Schroeder sein erstes Buch: „Offen für Alles – und nicht ganz dicht“, wie auch sein drittes Tourprogramm hieß.

Seit 2012 hat er jeden Samstag eine eigene Radio-Comedy auf 1 Live. Die heißt „Schroeders Netzwerk“, dort parodiert er bekannte Prominente. Seit 2014 moderiert er „Spätschicht – Die Comedy Bühne“ im SWR Fernsehen. Mit seinem aktuellen Programm („Entscheidet Euch!“) tritt Florian Schroeder am 29. und 30. April, jeweils 20.15 Uhr, im Würzburger Bockshorn auf. Karten: Tel. (09 31) 46 06 06 6.

 
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