Ihre Stimme ist dunkler geworden, wärmer. Anna Netrebko widmet ihr neues Album dem Verismo, also der italienischen Oper nach Verdi, mit Szenen und Arien von Cilea, Giordano, Leoncavallo, Catalani, Boito, Ponchielli und natürlich Puccini. Interessanterweise scheint es, als lote sie gerade bei den Nicht-Puccini-Arien das dynamische und darstellerische Spektrum aus. Die Eingangsnummer, „Ecco: respiro appena“ aus Cileas „Adriana Lecouvreur“, ist wunderbar differenziert und zurückgenommen. „Vissi d'arte“ aus Puccinis „Tosca“ hingegen wirkt bei aller sängerischen Meisterschaft eher routiniert. Und wie das bei Aufnahmen der ganz großen Stars öfter vorkommt: Die andere Stimme, in diesem Fall die von Netrebkos frisch angetrautem Ehemann, dem Tenor Yusif Eyvasov, ist nicht ganz auf der Höhe.
Anna Netrebko: Verismo, Deutsche Grammophon
Till Brönner liefert Musik für ruhige Stunden
Till Brönner überlegt sich sehr genau, was die Leute hören wollen. Und hat erkannt: Sie wollen Ruhe, sie wollen Verlässlichkeit, und sie wollen Tradition. Und so hat er „The Good Life“ (Untertitel: „Music for peaceful moments“) eingespielt.
Ein klassisches Jazzalbum mit Quartett, das, wie der Titel schon sagt, den Standards der Rat-Pack-Ära gewidmet ist. Brönner spielt Trompete und Flügelhorn mit wie immer wunderbar mühelosem Ansatz und untrüglichem Gespür für Timing und Phrasierung, vor allem aber mit diesem leicht angerauten Ton, der dem Thema mehr als gerecht wird. Und er singt. „Come Dance with Me“ zum Beispiel, einst Titelsong eines Frank-Sinatra-Albums. Das wirkt nicht mehr ganz so cool, sondern irgendwie zu präsent und ein wenig bemüht.
Till Brönner: The Good Life, Sony Music
Jeff Beck bittet zum Treffen der Generationen und Stile
Jeff Beck hat ein neues Studioalbum aufgenommen und sich dabei besondere Mitmusikerinnen gesucht: die Sängerin Rosie Bones und die Gitarristin Carmen Vandenberg der Londoner Post-Punk-Band Bones.
„Loud Hailer“ ist ein Treffen der Generationen und der Stile – gerade Rhythmen, harte Riffs, brachiale Verzerrung einerseits, souveräne Gitarrenarbeit andererseits. Jeff Beck, Jahrgang 1944, der auf der Gitarre alles kann und im Laufe seiner langen Karriere viel ausprobiert und geschaffen hat, findet hier zu erdigem Blues – nicht ohne die vorherrschende Härte des Sounds, dem der Yardbirds mitunter gar nicht so unähnlich, mit listig disparaten Einsprengseln und rotzig reduzierten Soli aufzubrechen. Und dann plötzlich ein Song wie „Scared For The Children“: eine anrührende Ballade, Jimi-Hendrix-Hommage inklusive.
Jeff Beck: Loud Hailer, Atco Records
Eric Clapton legt ein Who is Who des Blues vor
Eric Clapton hat die Höhepunkte seines Crossroads-Gitarrenfestivals zwischen 2004 und 2013 zusammengetragen.
Das Dreier-Album „Crossroads Revisited“ ist erwartungsgemäß ein Who is Who des Blues: B.B. King, Buddy Guy, Jimmie Vaughan, Carlos Santana, J.J. Cale, Sheryl Crow, Albert Lee, Jeff Beck, Steve Winwood und viele mehr. Macht Spaß, auch wenn sicher nicht jeder Track für die Ewigkeit taugt.
Eric Clapton: Crossroads Revisited, Rhino Records
Mathias Wiedemann