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BAD KISSINGEN
Bunter Abend mit Gesang und Geige beim Kissinger Sommer
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:08 Uhr

Es gibt vielleicht ein gutes Dutzend Belcanto-Tenorarien, die man als Welthits bezeichnen könnte. Gounods „Salut, demeure chaste et pure“ gehört dazu und natürlich „Che gelida manina“ aus Puccinis „Boheme“. Wer diese beiden Arien hintereinander wegsingt und ohne Zugabe von der Bühne gelassen wird, der hat etwas falsch gemacht.

Insofern ist Sung Min Song möglicherweise nicht ganz zufrieden mit seinem Auftritt bei der „Rosengala“ des Kissinger Sommers im Regentenbau. Der Applaus wirkt eher höflich. Anerkennend. Sung Min Song hat alle Spitzentöne getroffen, er hat sich stimmlich gut gegen das Orchester behauptet, aber sehr viel mehr lässt sich dazu nicht sagen.

Außer vielleicht, dass dem jungen Tenor aus Südkorea an diesem Abend ein wenig das Draufgängertum fehlt, die Frechheit, diese enorm schweren Arien so mühelos zu singen, als sei das ein Klacks. Und dabei noch – im Falle der Puccini-Arie – Rodolfos Was-kostet-die-Welt-Coolness rüberzubringen. Der Italiener hat dafür den unübersetzbaren Ausdruck „Sprezzatura“.

Eine ganze Menge Sprezzatura hat hingegen das WDR Sinfonieorchester Köln zu bieten. Und die ist auch in Rossinis Wilhelm-Tell-Ouvertüre gefragt, die gleich mit einem heiklen Cellosolo plus -ensemble losgeht. Die Cellogruppe der WDR-Sinfoniker meistert den Einstieg blitzsauber und mit süffigem Schmelz.

Astreine Tell-Ouvertüre

Astrein – wenn der Kalauer im Zusammenhang mit einem Stück erlaubt ist, in dem das Waldmotiv der Musik schlechthin vorkommt – das beschauliche Englischhorn-Solo. Astrein auch kommt diese gesamte Ouvertüre, alle Instrumentengruppen des Orchesters sind erstklassig besetzt, vor allem aber haben sie das, was alle großen Orchester auszeichnet: hörbaren, sichtbaren, spürbaren Spaß am Zusammenspiel.

Auf den ist so sehr Verlass, dass sie in Mozarts A-Dur-Violinkonzert gleich ganz auf den Dirigenten verzichten. Solistin Arabella Steinbacher und die WDR-Sinfoniker verstehen sich wunderbar – gerade das A-Dur-Konzert ist von vielen Tempowechseln geprägt, immer wieder durchbricht Mozart die Erwartungshaltung des Hörers, man denke nur an die Enden der Ecksätze.

Zwar spielt das Orchester in deutlich verkleinerter Besetzung, auf leisen Sohlen kommt es deshalb aber nicht daher. Wegen Arabella Steinbacher wäre das auch nicht nötig – die Geigerin verfügt über einen herrlich tragenden Ton in allen Lagen und Lautstärken. Dazu über eine offenbar unfehlbare Intonation, ein untrügliches Gespür für Phrasierung und jede Menge Spielwitz.

Und so entsteht ein höchst inspirierter Dialog zwischen Solistin und Orchester, der Mozarts Virtuosität ebenso gerecht wird wie seiner Empfindsamkeit.

Das Programm dieser Rosengala hat etwas von einem Bunten Abend, da fügt sich Ottorino Respighis durchgeknalltes Miniballett „La Boutique fantasque“ wunderbar hinein.

Geistreiche Miniaturen

Dirigent Lawrence Foster hat sich schon mit viel Elan den Überzeichnungen in der Walzerfolge aus dem „Rosenkavalier“ gewidmet, bei Respighi können er und die WDR-Sinfoniker noch einmal zeigen, wie es ist, wenn brillante Musiker ein Stück spielen, in dem sie all ihr Können zeigen dürfen.

Die acht Sätze sind detailverliebte, geistreiche Miniaturen, die eine Menge Klischees aus dem weiten Feld der Ballettmusik auf die Schippe nehmen. Das kommt alles so makellos und lebendig, dass Foster als sozusagen beruhigende Zugabe die „Valse triste“ von Sibelius nachschiebt.

 
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