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WÜRZBURG
Bosse: Kein Bock auf Kunstfigur
Der Sänger erklärt, warum er keine Angst vor sozialen Netzwerken hat, wie YouTube die Musik verändert – und womit er sich kaufen lässt. Auch um Ehrlichkeit und ums Reiferwerden geht's.
Sarah-Sophie Schmitt
Sara Sophie Fessner
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:27 Uhr

Seinen ersten Plattenvertrag unterschrieb Axel „Aki“ Bosse im zarten Alter von 17 Jahren. Schon die erste Single platzierte sich in den Charts. Seitdem hat sich der gebürtige Braunschweiger zum ernst zu nehmenden Sänger und Songschreiber entwickelt. Am 4. März tritt der 36-Jährige in der Würzburger Posthalle auf. Die Begleitband, die ihn dabei – und auch bei Aufnahmen – unterstützt, firmiert ebenfalls unter dem Namen Bosse.

FRAGE: Zwölf Jahre ist etwa Ihr erstes Album her. Zeit, einmal zurückzublicken. Ihr Lieblingslied, von Ihnen selbst?

Axel Bosse: Ich habe keine Lieblingslieder von mir selbst, aber es gibt wichtige Lieder. Das wichtigste Lied in meinem ganzen Leben ist „3 Millionen“. Ab da hat meine Musik angefangen, jemanden zu interessieren.

Gibt es einen Song, den Sie heute nicht mehr machen würden?

Bosse: Wenn ich ganz ehrlich bin, alles vom ersten Album. Da gibt es ein paar Sachen, die ich sehr spätpubertär finde. Songs wie „Kraft“, „Keine Panik“ oder „Explodiert“ würden heute einfach nicht mehr aus mir rauskommen. Damals hatte ich eine andere, jugendliche Energie, die ich heute nicht mehr so oft habe.

Das meine ich gar nicht negativ. Auf der anderen Seite hätte ich „Familienfest“ mit 17 so nicht schreiben können. Das wäre ein anderes Lied gewesen.

Ihre aktuelle Platte „Engtanz“, die von Kritikern, als Ihr bislang erwachsenstes Album tituliert wird?

Bosse: Sie schreiben bei jedem Album, dass der Künstler gereift, erwachsen geworden, angekommen sei. Man ist eben älter geworden, es ist das aktuellste Album, das ist doch logo. Aber es hat weder etwas damit zu tun, dass ich mich alt fühle, noch damit, dass es das Ende der Fahnenstange ist. Bei „3 Millionen“ habe ich in Berlin gelebt. Ich habe mich immer falsch verliebt. Ich wollte immer schon Kinder haben und wusste, ich werde wahrscheinlich nie welche bekommen. Ich wollte immer schon Musik machen und wusste, ich muss mein Leben lang im Café arbeiten oder Taxi fahren. Das ist eine ganz andere Ausgangssituation. Heute bin ich Familienvater, habe eine super Braut am Start, und die Sache mit der Musik läuft. Wenn es darum geht, dass das erwachsener ist und nicht mehr so sehr auf der Suche, kann ich das unterschreiben.

Ein Auftritt, an den Sie besonders gerne zurückdenken?

Bosse: Unser allererstes Rock-am-Ring-Festival. Damals waren wir alle sehr grün hinter den Ohren. Wir haben um 23 Uhr auf der dritten Bühne gespielt und gegenüber spielte Depeche Mode. Das war Wahnsinn.

Ein Auftritt, den Sie gerne löschen würden?

Bosse: Vielleicht das ein oder andere Stadtfest, auf dem wir früher mal gespielt haben. Ich hab mal in Attendorn eine 0,5-Dose Faxebier gegen den Kopf gekriegt. Es war gerade ein Fußballspiel vorbei und die Hools kamen. Oder als wir mit der Schulband bei einem Stadtfest in Neumünster an einem Brunnen gespielt haben, an dem nur Junkies waren. Es brennt sich ein, wenn stark alkoholisierte Junkies, voll verschwitzt und total druff zu deiner Musik tanzen.

Heute füllen Sie deutlich größere Hallen. Welches Privileg hat Ihnen die Musik ermöglicht?

Bosse: Ich glaube, ich könnte viel mehr Privilegien haben. Ganz viele Marken wollen irgendetwas mit mir machen, oder ich könnte auf Kreuzfahrtschiffen spielen. Ich bekomme so viele Angebote. Aber ich mache solche Deals nicht. Für mich ist der größte Vorzug, dass ich einen freien, tollen Beruf habe, dass ich das machen kann, was ich liebe.

Das ist mir Vorteil genug. Das Einzige, womit man mich immer kriegen kann, sind Fußballkarten. Das ist das Einzige, wo ich mich kaufen lasse.

Sie sind also Fußball-Fan. Aber wenn man Sie googelt, sind Sie weit mehr: Indie-Poet, Frauenversteher, der Typ von nebenan, Chartstürmer, chronisch sympathischer Musiker – wer ist Bosse?

Bosse: Ich bin echt ein ganz normaler Typ. Ich schreibe gerne und kann ganz gut zuhören, ich bin treu meinen Freunden gegenüber, ich bin total ungeduldig. Vielleicht habe ich ein bisschen mehr Energie als andere. Das Bild, das die Menschen von mir haben, läuft schon einigermaßen parallel zu dem, wie ich mich empfinde. Für mich ist das der ehrlichste, vielleicht auch der unanstrengendste Weg. Ich hatte nie Bock, eine Kunstfigur zu erfinden.

Auf Instagram posten Sie immer Bilder von sich als Oppa Bosse. Vorfreude aufs Alter?

Bosse: Das ist ein alter Witz zwischen mir und meinem Freund Sven, der sowohl bei Deichkind als auch bei mir spielt. Ich kann die Netzwerke nur als lustige Vehikel nutzen – oder eben, um die Leute mal ernsthaft zu informieren. Wenn ich mir Instagram und Snapchat anschaue, komme ich mir manchmal aber schon wie ein Oppa vor. Ich bin eine andere Generation und muss mich erst mal daran gewöhnen.

Sind Sie Teil dieser digitalen Gesellschaft oder schütteln Sie darüber vor allem den Kopf?

Bosse: Manchmal finde ich es ganz ekelig und manchmal supergut. Ich kann mich schon über vieles informieren. Ob es mich aber interessiert, dass Gaby wieder bei McFit war, ist die andere Frage. Trotzdem finde ich es faszinierend, mir das reinzupfeifen, was da gerade passiert, und wie viel halb durchtrainierte, wahrscheinlich sehr inhaltslose Menschen, da ganz, ganz viele Follower haben.

Ist Ihre zehnjährige Tochter auch schon in den sozialen Netzwerken aktiv?

Bosse: Ich glaube, sie hat im Moment noch keinen Bock drauf, das kommt alles noch. Sie ist noch mal eine ganz andere Generation. Ich habe das Gefühl, dass der Zeigefinger dieser Kinder zum Wischen da ist und nicht zum Nasebohren.

Eine Generation, für die CDs nicht mehr wichtig sind, die Musik vor allem digital entdeckt.

Bosse: Seit zwei, drei Jahren ändert sich merklich was. Ich finde es auf der einen Seite erschreckend. Ich frage mich, wo die Inhalte sind. Wo ist der Platz für Musik, was bedeuten Alben? Warum ist so vieles, was da ist, in meinen Ohren echt schrottig und anderes echt gut? Aber solche Entwicklungen sind normal.

Ich habe mit 16 angefangen, Musik zu machen. Damals war MP3 das große neue Ding. Nun ist es der Schritt zu fast kostenfreier Musik. Außerdem entwickelt sich im Netz vieles anders. Ich finde es sexy, dass auch Marketing-Strategen das nicht vorhersehen können. Strategien wie in den 1990ern, als richtig viel Geld auf ein Boyband-Ding gesetzt wurde, funktionieren nicht mehr. Vielleicht ist das ein Weg zurück zur Ehrlichkeit, so wie früher, als sich Leute Kassetten überspielt und sich zugeschickt haben.

Auf der anderen Seite inszeniert sich jeder, der auch nur ein paar Akkorde spielen kann und einen Liedtext kennt, heutzutage auf YouTube als neuer Sänger.

Bosse: Aber abgesehen von der Plattform ist auch das nicht neu. Die Wahrheit ist ja, wenn etwas von hoher Qualität, mit viele Liebe gemacht und schlauer als vieles andere ist, dann wird es Erfolg haben. Wenn die Leute bei Musik etwas fühlen, wird sie sich durchsetzen. Wenn es scheiße ist, dann eben nicht.

 
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