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NÜRNBERG
Bob Dylan: Live aus dem Werkstatt-Lounge-Labor
FILES-SWEDEN-US-NOBEL-LITERATURE       -  Auf Dylan-Konzerten darf nicht fotografiert werden - deshalb hier, nur zu Illustrationszwecken, eine Aufnahme von einem Konzert 2009 in Kalifornien.
Foto: KEVIN WINTER, afp | Auf Dylan-Konzerten darf nicht fotografiert werden - deshalb hier, nur zu Illustrationszwecken, eine Aufnahme von einem Konzert 2009 in Kalifornien.
Markus Rill
Markus Rill
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:25 Uhr

Sechs Herren in mittlerem bis fortgeschrittenem Alter, gedämpftes Licht, schwere Vorhänge: Rein optisch herrscht Lounge-Atmosphäre auf der Bühne der Nürnberger Frankenhalle beim Konzert von Bob Dylan. Das passt zu seinen letzten Alben, auf denen sich der außergewöhnliche Songschreiber Jazz-Standards und Sinatra-Klassikern widmete.

Das verdeckt aber, dass Dylan, wenn's um seine eigenen Songs geht, ein Tüftler, ein Mechaniker ist. Er zerlegt seine großen Klassiker und baut sie so wieder zusammen, dass sie kaum noch zu erkennen sind. Gut möglich, dass einige Schrauben und Melodiebestandteile dabei übrig bleiben. Aber nur, wer sucht und forscht, kann auch Neues entdecken.

„Pay In Blood“ klingt wie einem Horrorstreifen entlehnt

So erblüht „Simple Twist Of Fate“ am Sonntag in großer Zärtlichkeit, während „Pay In Blood“ klingt, als sei es der Soundtrack zu einem Horrorstreifen aus den 1940ern mit Vincent Price. „Tangled Up In Blue“, eines von Dylans Lieblingsspielzeugen, ist schon wieder komplett renoviert, mit neuem Text und neuem Groove. Dagegen rumpelt „Trying To Get To Heaven“ in Nürnberg noch etwas unrund.

Zwischen den Songs erlöscht das Licht, aber nicht der Sound

Die Anzugträger Charlie Sexton, Stu Kimball, Donny Herron, Tony Garnier und George Receli sind weit mehr als Hintergrundmusiker, sie begleiten ihren Arbeitgeber bei seiner Suche, ebnen ihm den Weg und spielen ihm Bälle zu. So zitiert Receli das Drumsolo des Surfklassikers „Wipe Out“ und Sexton mal das Gitarrenthema von Muddy Waters' „I'm A Man“, ein andermal den Sound der Shadows. Das passt zum eklektischen Dylan, der auch schon Textpassagen von Jack London oder Ovid geborgt hat.

Alle diese Stücke treten aus einer Art Ursuppe hervor, zwischen den Songs erlöscht das Licht, aber nicht der Sound. Meist winselt die Pedal Steel, manchmal rumoren Schlagzeug und Bass, bis sich daraus die nächste Nummer kristallisiert – das hat Stil. Die Stücke vom 2012er-Album „Tempest“ – mit der selben Band eingespielt – bleiben den Albumaufnahmen nahe, Dylan gönnt dem Publikum auch erkennbare Versionen von „Don't Think Twice, It's Alright“ und „Highway 61 Revisited“ sowie als Zugabe gar „Blowin' In The Wind“.

Der Meister ist kein Kumpeltyp

Der bald 77-jährige Dylan sitzt den ganzen Abend am Klavier und tritt nur dreimal in die Bühnenmitte. Dort singt er beispielsweise „Autumn Leaves“ mit Inbrunst und so schön, wie es mit einer Stimme möglich ist, die mal nicht unzutreffend mit dem Klang des Windes, der vom Lungensanatorium herüberweht, verglichen wurde. Dylan grinst, deutet eine Verbeugung an; Worte ans Publikum sind von ihm nicht zu erwarten. Der Meister ist kein Kumpeltyp, er bleibt auf Distanz. Fotoapparate und Handys verbittet er sich im Konzertsaal. Die Musik steht im Mittelpunkt.

Eine Message hat er dennoch: Gewiss nicht zufällig beschließt der Amerikaner das Konzert mit seiner Anklage an die Ahnungslosen. „Something is happening here but you don't know what it is, do you, Mister Jones?“ – Hier geht etwas vor sich, aber Du kapierst nicht, was. Stimmt's, Mister Jones?“ War gar nicht nötig, da den Namen des US-Präsidenten einzubauen.

 
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