„Ich hab das schon auf Facebook gepostet“, sagt die Frau im schwarzen Abendkleid im Vorbeigehen zu dem jungen Mann am Stehtisch. Und untermalt gestisch, was genau sie gepostet hat: Die Beinkleider des jungen Mannes. Der trägt nämlich Bermudas und Kniestrümpfe zum weißen Dinnerjacket. Für die Bermudas gilt dasselbe wie für den Post: Kann man machen, muss man aber nicht.
Diese Mischung aus hochtraditionellen Roben (bei den Männern dominieren immer noch schwarzer Anzug und schwarze Fliege) und schrägen Fantasieoutfits macht die alljährliche Premiere der Bayreuther Festspiele noch ein bisschen spannender. Wenn man jetzt nicht unbedingt von der „Auffahrt“ fasziniert ist. Dem eigentlich albernen Ritual der Ankunft der Prominenz also, die in schwarzen Limousinen angekarrt wird und sich – je nach Beliebtheitsbedarf oder Wahlkampfzwang – mehr oder weniger kooperativ der schreienden Fotografenmeute gegenüber zeigt.
Manche sind einfach nett und plaudern ein wenig, andere hasten vorbei, als hätten sie weitaus Wichtigeres vor und als beginne die Oper nicht für alle zur gleichen Zeit. Dabei schauen sie, als wollten sie mit Lohengrins Elsa sagen: „Wer ruft? Wie schauerlich und klagend ertönt mein Name durch die Nacht?“ Wieder andere, bayerische „Tatort“-Kommissare zum Beispiel, mischen sich ganz umstandslos in die nichtprominente Menge, wo sie denn auch in Ruhe gelassen werden.
Politiker (die Kanzlerin kommt übrigens auch, wenn kein Auffahrt-Brimborium ist), Staatsgäste, (Hoch-)Adel, TV-Sterne (gewesene und aktuelle), Künstler, Wirtschaftsbosse, jeweils mit Partnern und Partnerinnen – so viele Gesichter, die man (er-)kennt oder die einem irgendwie bekannt vorkommen. Und solche, die danach lechzen, erkannt zu werden. Es hülfe, würde man Vorabendprogramm schauen oder „Bunte“ lesen. Die Ahnungslosigkeit mancher Männer jedenfalls treibt manche Frau zur Verzweiflung – „das ist Francis Fulton-Smith, ein Rosamunde-Pilcher-Darsteller, du Banause“, könnte dafür das beispielhafteste Zitat sein.
Auch typisch für Bayreuth: die Pausenbratwurst. Man kann sich in den einstündigen Pausen gemessen in die Obhut der angrenzenden Gastronomie begeben, aber die Bratwurst im Weck im Stehen ist hier eigentlich die Regel. Auch im schulterfreien Goldpailletten-Kleid. Da kann es dann schon mal passieren, dass man Mund und Hände voll hat, wenn das Fernsehteam von RTL von hinten angewalzt kommt und unbedingt Näheres über die Herkunft dieses Kleides wissen will.
RTL-Reporter: „Das ist ein wunderbares Kleid – von wem ist das?“ Bratwurstesserin: „Keine Ahnung – wollen Sie hinten mal reinschauen?“