
In ihrer Urgewalt erinnert die erste halbe Minute von „13“ an ein heraufziehendes Sommergewitter. Der Himmel verdüstert sich, es fängt an zu grummeln, ein erster Donner, sehr schnell wird es sehr laut, sehr krachend. Verantwortlich für das klangliche Unwetter ist Tony Iommi, Gitarrist von Black Sabbath und das einzige Mitglied, das die Band nie verlassen hat.
Der lässt gleich zu Beginn von „End of the Beginning“ ein heftiges Riff heranpoltern, das keinerlei Zweifel daran erlaubt, mit wem man es in den folgenden 53 Minuten zu tun haben wird: mit der berühmtesten aller Heavy-Metal-Bands, mit den Fürsten der Finsternis, mit, wie Ozzy Osbourne es gern ausdrückt, Black fucking Sabbath. Sein erster Wortbeitrag: „Is this the End of the Beginning? Or the Beginning of the End?” Ist „13“ also Neubeginn oder Abschied? Womöglich beides zugleich.
Rick Rubin an den Reglern
Dass die Platte, die am 7. Juni erscheint und aus acht Liedern besteht, von denen fünf länger als sieben Minuten dauern, fast überall auf der Welt die Charts anführen wird, ist keine kühne Prophezeiung. Anders als bei David Bowie, der im März ohne lange Vorwarnung sein Album vom Stapel ließ, ist der Vorlauf bei „13“ ein langer – je nach Zählweise 18 Monate oder zwölf Jahre. Bereits 2001 tat man sich mit Rick Rubin zusammen, um das Projekt anzugehen. Doch die Arbeit trug keine Früchte, das Projekt wurde noch in seinen Anfängen gestoppt.
Ende 2011 schließlich die offizielle Meldung, stilecht verkündet aus dem legendären Rock-Club „Whisky A Go Go“ am Sunset Strip in Los Angeles: Ja, Black Sabbath sind wieder im Studio. Ja, es wird ein neues Album geben. Ja, Rick Rubin, jenes mönchsgleiche Genie mit Rauschebart und Kugelbauch, das schon die Red Hot Chili Peppers, Metallica und Adeles „21“-Meisterstück produzierte und dem abgehalfterten Johnny Cash ein fantastisches Spätwerk ermöglichte, sitzt an den Reglern. Und nein, Originalschlagzeuger Bill Ward ist nicht mehr dabei.
Zu den Gründen gibt es unterschiedliche Ausführungen, es soll um vertragliche Dinge, sprich um Geld gegangen sein. Laut Osbourne habe es Ward nicht mehr drauf. Am Schlagzeug sitzt nun Brad Wilk, der Trommler von Rage Against The Machine. Ansonsten ist die Urbesetzung komplett: Geezer Butler (63) am Bass, Tony Iommi (65) an der Gitarre, Ozzy Osbourne (64) am Mikro. Die drei Arbeiterkinder aus Birmingham, die 1968 anfingen, zusammen Musik zu machen, die gemeinsam triumphierten, soffen, koksten, stritten, die sich trennten, sich lieben und sich hassen, sind endlich wieder auf Tonträger vereint. „13“ ist das erste Sabbath-Album dieser drei seit 1978 („Never Say Die!“) und das erste seit 1995 („Forbidden“) überhaupt. Die schwarzen Eminenzen machen also wieder Krach. Und wie! Düster, bedrohlich, wuchtig, brodelnd, raumgreifend, gewaltig. Die Musik ist tonnenschwer, dabei gar nicht so schnell und doch hart. Vor allem die ersten drei Nummern, „End of he Beginning“, „God is dead?“ und „Loner“, brechen sich Bahn wie eine Schlammlawine, aber auch „Age of Reason“ dröhnt metertief, während das trockene „Live forever“ einem eingängigen Hit am nächsten kommt. Alles wird mit heiligem Ernst, ohne Selbstironie und Augenzwinkern vorgetragen.
Das passt zum Inhalt vieler Stücke, denn es geht nicht um viel, es geht um alles, um Leben und Tod. Osbourne, das geht aus seinen Texten deutlich hervor, hat gerade überhaupt keine Lust zu sterben. „I don’t want to live forever“, singt er, „but I don’t want to die.“ In „God is dead?“, der Single, betrachtet er die Welt aus der Perspektive der eigenen Gruft und scheint sich an dem tröstlichen Gedanken zu erwärmen, dass es Gott ja doch vielleicht gibt. Ausgerechnet Ozzy, der Mann, der einst auf der Bühne (angeblich weil er glaubte, sie sei aus Gummi) einer Fledermaus den Kopf abbiss, entwickelt im Alter also einen Hauch von Glauben.
Ziemlich durch den Wind
Vielleicht passiert das einfach, wenn der Tod naht und das Leben keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Tony Iommi leidet an Lymphdrüsenkrebs, alle sechs Wochen muss er sich in London behandeln lassen. Geezer Butler hält sich wacker. Und Ozzy? Wer die Rocklegende erst durch die MTV-Dokusoap „The Osbournes“ kennengelernt hat, die ihn im Kreise von Gattin Sharon (die auch Managerin von Black Sabbath ist) und den inzwischen erwachsenen Kindern Kelly und Jack zeigt, der weiß, wie es um ihn steht. Er ist ein tütteliger, trippelnder alter Mann, humorvoll, liebenswürdig, aber auch ziemlich durch den Wind.
Jahrzehntelanger Drogen- und Alkoholmissbrauch haben ein leidlich funktionierendes Wrack aus ihm gemacht. Gerade erst räumte er ein, seit anderthalb Jahren wieder zu trinken, seit Ultimatum und Trennungsandrohung von Sharon heißt es, er sei seit drei Monaten trocken.
„Sie sind die Beatles des Heavy Metal“, schrieb 1970 der „Rolling Stone“, „sie haben die Musik für immer verändert.“ Verändern werden sie mit „13“ gar nichts. Aber dass sie wieder so sind, wie sie einst waren, das ist mehr als erhofft.