„Verkündigung“ nennt der Bildhauer Wilhelm Uhlig die zwei Bronzeskulpturen, die in scheinbarem Dialog im Innenhof des Klosters Wechterswinkel nördlich von Bad Neustadt stehen. Entstanden im Jahr 2000, verkünden sie offenbar für jeden Betrachter etwas anderes. Für die katholischen Pfarrer und einige erzkonservative Mitbürger rund um Kloster Banz jedenfalls verkündeten die Figuren im Sommer 2009 einen veritablen Skandal, als Uhlig sie im Innenhof ausstellte. Die Nacktheit war das Problem, nicht die künstlerische Gestaltung.
In der Rhön ist man offenbar toleranter, was Kunst und Nacktheit angeht: Eine Diskussion wie damals in Kloster Banz gibt es bei der noch bis 18. September zu sehenden großen Werkschau des ehemaligen Professors an und Präsidenten der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg (1984 bis 1987) im Kloster Wechterswinkel Kunst & Kultur nicht. Der Titel: „Ich formte Kunst, die Kunst formte mich“.
Viele Werke in der Region
Das liegt sicher auch daran, dass der seit langem in Nürnberg lebende Künstler Rhöner Wurzeln hat. Er wuchs in Bad Neustadt auf, seine Mutter stammt aus Bischofsheim. Viele seiner Kunstwerke bereichern den öffentlichen Raum in der Region: die Sitzende am Kriegerdenkmal in Bad Neustadt, seine überdimensionale Taube aus Stein am Hohntor in Bad Neustadt, das Brunnendenkmal für Papst Johannes XXIII. oder das Kriegerdenkmal in Bischofsheim, wo er bewusst die Statue einer Mutter statt eines Soldaten aufstellte, stellvertretend für alle leidenden Mütter und Frauen während des Zweiten Weltkriegs.
Doch der Einfluss des 86 Jahre alten Emeritus geht weit über die Rhön und Franken hinaus. Generationen von Bildhauern hat der von Hans Wimmer maßgeblich beeinflusste Wilhelm Uhlig geprägt – er übernahm 1972 Wimmers Professur in Nürnberg an der Akademie, an der er in den 1950er Jahren auch studiert hatte. Uhlig, dessen künstlerische Wurzeln in der Antike und der Renaissance liegen, legte stets Wert auf seine künstlerische Eigenständigkeit.
Als er 1955 während eines längeren Aufenthalts in London von Henry Moore das Angebot bekam, als dessen Assistent zu arbeiten, ehrte ihn das zwar, er schlug es aber aus. Moore entwickelte in dieser Zeit sein Konzept der „reclining figure“, die ihm später Ruhm und vor allem Wohlstand brachte.
Die Figuren ruhen in sich
Uhlig ging seinen eigenen Weg, der ihm seinerseits Anerkennung einbrachte und den Auftrag für zwei Büsten in der Walhalla bei Regensburg: die des Nobelpreisträgers Albert Einstein (1990) und die der Ordensgründerin Theresia Gerhardinger.
Seine Handschrift beeindruckt auch in Wechterswinkel, wo Köpfe, Tiere und vor allem Figuren zu sehen sind. Kritiker beschrieben seine Arbeiten mit „schlichter Würde“, „besonderer Kühle, Erhabenheit und Distanz“, loben die „Ausgewogenheit von Statischem und Organischem“.
Während Henry Moore in seinen Figuren die Abstraktion auf die Spitze treibt und alles der Fantasie des Betrachters überlässt, geht Uhlig nur so weit, dass die dargestellte Person wiedererkennbar bleibt.
Uhligs Figuren ruhen in sich, ziehen den Betrachter in ihren Bann. Gerade in den zwar schönen, für eine Ausstellung aber nicht ganz einfachen Räumen in Wechterswinkel entfalten Uhligs Büsten, Torsi, Köpfe und Tiere beeindruckende Raumwirkung. In Uhligs Werk geht es nicht um Gleichförmigkeit und ganz sicher nicht um Mainstream. Uhlig ist eigen, Uhlig wird wiedererkannt.
Wilhelm Uhlig, „Ich formte Kunst, die Kunst formte mich“. Einblick in 70 Jahre Bildhauerei. Bis 18. September im Kloster Wechterswinkel Kunst & Kultur, Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag 13 bis 17 Uhr, www.kloster-wechterswinkel-kultur.de