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Bilder der Bibel: Abschied vom Paradies
Biblische Landschaften: Das Museum Georg Schäfer in Schweinfurt zeigt noch bis zum 24. Mai den großen alttestamentarischen Bilderzyklus von Johann Wilhelm Schirmer (1807–1863) – einmal in Kohle, einmal in Öl.
Die Vertreibung aus dem Paradies: Vor der Wucht der Komposition werden die Menschen zum Detail.
Foto: Museum Georg Schäfer | Die Vertreibung aus dem Paradies: Vor der Wucht der Komposition werden die Menschen zum Detail.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 23.03.2015 15:42 Uhr

Es beginnt an einem Frühlingsmorgen und endet an einem Abend im Herbst: Johann Wilhelm Schirmers 26-teiliger Zyklus „Biblische Landschaften“ durchmisst anhand einiger Szenen aus dem Buch Genesis des Alten Testaments einmal Werden und Vergehen – vom Leben der ersten Menschen im Paradies bis zu Abrahams Tod. Auf dem ersten Bild sitzen Adam und Eva kurz nach Sonnenaufgang traulich und unbekleidet beisammen und blicken auf eine weite Ebene des Friedens und der Eintracht. Dass dieses Glück nicht von Dauer sein wird, weiß jeder Christ. In der nächsten Szene scheint noch die Sonne, allerdings reckt schon die Schlange aus der Schwärze des Waldes ihren Kopf hervor.

Schirmer hat den Zyklus in zwei Versionen geschaffen: 1855/56 in Kohle und 1856/57 – mit Veränderungen – in Öl. Bis 24. Mai zeigt das Museum Georg Schäfer in Schweinfurt beide Zyklen, nur ein Ölbild fehlt. Titel: „Das Paradies als ein Frühlingsmorgen“.

Biblische Bildergeschichten, gedacht zur Erbauung, zur Abschreckung, zur Belehrung, gibt es spätestens seit der Gotik, man denke nur an die großen Freskenzyklen der italienischen Renaissance. Sie erzählen von der Passion Christi oder dem Leben berühmter Heiliger, sie schildern, verständlich auch für den Gläubigen, der nicht lesen kann, die Verheißungen des Paradieses und die Schrecken der Verdammnis.

Im 19. Jahrhundert orientieren sich Nazarener und Präraffaeliten an Vorbildern wie Giotto, Dürer, Botticelli oder Raffael. Wobei sie sich kaum für die Landschaft interessieren. Anders Johann Wilhelm Schirmer (1807–1863). Schirmer, Schüler Wilhelm von Schadows, ist Landschafter und anfangs Anhänger der naturalistischen Malerei in der Nachfolge des 17. Jahrhunderts etwa von Jacob von Ruisdael oder Claude Lorrain. Mit den Biblischen Landschaften hat er eine Art Lebensthema gefunden. Während die – katholischen – Nazarener die handelnden Personen in den Vordergrund stellen, ist beim Protestanten Schirmer die Landschaft der eigentliche Akteur.

Figuren sind ohnehin nicht seine Stärke, die leiht er sich – mit dessen Erlaubnis – bei Julius Schnorr von Carolsfeld aus. Oder er orientiert sich gleich an den Altvorderen: Adam und Eva im Bild „Die Vertreibung aus dem Paradies“ erinnern stark an ihre Vorgänger, gemalt gute 400 Jahre früher von Masaccio in der Brancacci-Kapelle in Florenz.

Das Leid der nunmehr Sterblichen wird in der hochdramatischen Bildkomposition zum Detail. Der Engel verweist Adam und Eva des Paradieses. Bäume und Felsen bilden eine Pforte, durch die von hinten das verlorene Licht leuchtet. Schon rollen die Wolken heran, um diese Pforte für immer – oder zumindest bis zum Jüngsten Gericht – zu schließen. Vor Adam und Eva liegt aufgewühlte Düsternis. Immerhin: Der aufgehende Mond verweist darauf, dass es auch eine Welt außerhalb des Paradieses gibt, wenn auch keine ganz so komfortable. Immer assistieren die Natur, die Jahreszeiten und die Elemente.

Im Grunde sind die Bilder reine Theaterkulissen. Wolkenbänke stehen für Unheil, Regenbogen für Neubeginn. Als Kain Abel erschlägt und damit den ersten Mord der Menschheitsgeschichte begeht, schiebt sich von rechts die Schwärze ins Bild – nichts wird mehr sein wie zuvor. Oder die Sintflut: Verzweifelt klammern sich die Ertrinkenden an die letzten Äste oder Felsen, während im Hintergrund die Arche davontreibt. Der Himmel ist zerrissen vom rot leuchtenden Zorn Gottes.

Seit 1839 ist Schirmer Professor an der Düsseldorfer Akademie, 1855 wird er Gründungsdirektor der Karlsruher Kunstschule. Der Zyklus der Kohlezeichnungen ist richtig erfolgreich: Ab 1856 sind die Zeichnungen sieben Jahre lang unterwegs und werden in zahlreichen deutschen Städten gezeigt, darunter Berlin, Kiel, Kassel, Weimar, Dresden, Leipzig, Stuttgart und München. Mit den skizzenhaft ausgeführten Ölgemälden hofft Schirmer, diesen Erfolg zu wiederholen: „Ich danke Gott für das Glück, ein Schifflein gefunden zu haben, mit welchem ich bis zu dem Ende meiner Tage zu segeln gedenke.“ Die Hoffnung erfüllt sich nicht, die Gemälde kommen nicht mehr so gut an. Schirmer stirbt, 56-jährig, im Jahr 1863.

Neben den beiden Zyklen sind auch Arbeiten von Vorbildern und Schülern Schirmers zu sehen, unter ihnen etwa Arnold Böcklin, der wiederum eine ganz eigene Interpretation von Landschaft entwickeln wird. Die Ausstellung mit 30 Gemälden und 50 Zeichnungen begleitet das Luther-Themenjahr „Reformation – Bild und Bibel“, der evangelische Theologe Siegfried Bergler hat die Bilder theologisch für den informativen Katalog bearbeitet.

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 10 bis 17 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr. Bis 24. Mai.

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