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NEW YORK
Bild von Pablo Picasso stellt Weltrekord auf
"Les femmes d'Alger" kostete einen anonymen Käufer bei einer Versteigerung in New York fast 180 Millionen Dollar. Eine Bestmarke gab es auch für eine Giacometti-Skulptur.
Das höchste Gebot: Christie's-Chef Jussi Pylkkanen und das Weltrekord-Bild
Foto: dpa | Das höchste Gebot: Christie's-Chef Jussi Pylkkanen und das Weltrekord-Bild
dpa
 |  aktualisiert: 13.05.2015 09:41 Uhr

Kurz vor dem entscheidenden Moment trinkt Jussi Pylkkanen noch schnell einen Schluck Wasser. Hinter dem Auktionator und Chef des Auktionshauses Christie's wird währenddessen Programmposten 8A hereingetragen, Pablo Picassos „Les femmes d'Alger“. „Ein wunderbares Gemälde“, sagt der weißhaarige Mann in schwarzem Anzug, lilafarbener Krawatte und weißem Einstecktuch. „Wir beginnen bei 100 Millionen Dollar.“

Viele Zuschauer im Auktionssaal in New York halten die Luft an und umklammern ihre Programmhefte ein wenig fester. Knapp zwölf Minuten und einen spektakulären Bieter-Wettstreit später lässt Pylkkanen den Hammer fallen: 160 Millionen plus Kaufprämie macht insgesamt 179,4 Millionen Dollar. Weltrekord.

Fotoserie

Mehr als 30 Gebote sind für das 1955 erstellte Ölgemälde des spanischen Malers Picasso (1881-1973) abgegeben worden. Den Zuschlag bekommt in der Nacht zum Dienstag schließlich ein Telefonbieter, für den Christie's-Manager Brett Gorvy im Saal am Hörer die Hand gehoben hatte. Wer da gerade unvorstellbare knapp 180 Millionen Dollar (etwa 160 Millionen Euro) für ein etwa ein mal anderthalb Meter großes knallbuntes Bild mit mindestens vier barbusigen Frauen darauf ausgegeben hat, bleibt zunächst unklar. Sicher ist nur: Wer auch immer es war, er besitzt jetzt das bislang teuerste je bei einer Auktion versteigerte Bild. Der 2013 vom Triptychon „Three Studies of Lucian Freud“ von Francis Bacon aufgestellte Rekord ist gebrochen.

Das Publikum klatscht, aber Auktionator Pylkkanen macht scheinbar unbeeindruckt weiter. 27 Werke sind bei der Auftaktversteigerung der New Yorker Frühjahrsauktionen noch übrig, und es stehen noch weitere Highlights auf dem Programm.

Als Pylkkanen nach einer guten Stunde die Veranstaltung mit einem „Danke, meine Damen und Herren“ beendet, liegt eine wahrhaft historische Auktion hinter ihm: Neben dem Rekord für das teuerste Bild der Welt ist auch noch der für die teuerste Skulptur gefallen. Alberto Giacomettis „Zeigender Mann“ erzielte inklusive Kaufprämie rund 141,3 Millionen Dollar – und damit rund 35 Millionen Dollar mehr als die bislang teuerste Plastik, Giacomettis „Schreitender Mann“. Auch für weitere acht Künstler sind Auktionsrekorde aufgestellt worden.

Auf der Straße vor dem Auktionssaal direkt gegenüber vom Rockefeller Center parken zahlreiche Luxusautos, aber nur wenige Werke werden von Auktionsteilnehmern im Saal gekauft. Die meisten gehen an Telefonbieter, deren Identität nicht verraten wird. Aber Beobachter zeigen sich von den schwindelerregenden Preisen unbeeindruckt. „Der Wert ist einfach da“, hatte Christie's-Experte Loic Gouzer schon vor der von ihm organisierten Auktion gesagt. „Es gibt so viele Sammler da draußen, die nach dem Besten vom Besten suchen. Und es gibt viel weniger Werke von solcher Qualität noch im Privatbesitz, als es Sammler gibt.“ Und die New Yorker Frühjahrsauktionen haben gerade erst begonnen.

Sportlicher Wettstreit

180 Millionen Dollar – das klingt verrückt. Aber „Les femmes d'Alger“ ist ein Bild, von dem feststeht, dass es die Kunstgeschichte nachhaltig beeinflusst hat. Ein solches Schlüsselwerk kommt nur äußerst selten auf den Markt. Eines der wesentlichen Merkmale heutiger Kunst ist, dass sich viele Werke auf andere beziehen. Künstler stehen so in einem Dialog – sie „zitieren“ einander. Picasso machte das vor. Nach dem Zweiten Weltkrieg trat er in eine Art sportlichen Wettstreit mit großen Malern aus vorigen Jahrhunderten wie El Greco und Velázquez ein.

„Les femmes d'Alger“ bezieht sich auf ein berühmtes Bild des französischen Malers Eugene Delacroix, den Picasso bewunderte. Das 1834 entstandene Bild von Delacroix zeigt Frauen aus einem Harem in Algier. Im prüden Europa regte es die sexuelle Fantasie der Männer an. Picasso greift dies in witziger Form auf, indem er in sein Bild viele weibliche Brüste, Bäuche und Hinterteile einbaut. Diese erscheinen jedoch in kubistisch verfremdeter Manier, gleichsam aufgelöst in ihre geometrischen Formen. Außerdem bezieht sich „Les femmes d'Alger“ auf Picassos Künstlerfreund Henri Matisse, der kurz zuvor gestorben war. Er war ebenfalls für orientalische Szenen bekannt. Picasso schuf „Les femmes d'Alger“ gleich in 15 verschiedenen Versionen – alle binnen drei Monaten um den Jahreswechsel 1954/55. Die jetzt versteigerte Fassung ist die letzte und am stärksten ausgearbeitete aus der ganzen Serie, die „Version O“.

Das Bild hat darüber hinaus noch einen großen Vorteil. Es ist groß, es ist bunt, es ist komisch, es zeigt nackte Frauen – und es ist auf den ersten Blick als ein Picasso zu erkennen. Ein solches Bild kann langfristig eigentlich nur wertvoller werden.

Die teuersten Kunstwerke der Welt

Nie zuvor wurde bei einer Auktion mehr für ein Bild bezahlt als für Picassos „Die Frauen von Algier“. Bei Privatverkäufen sollen noch höhere Summen erzielt worden sein, die aber häufig nicht offiziell bestätigt wurden. Als teuerste Kustwerke der Welt gelten (in US-Dollar):


GEMÄLDE (Auktionen)

179,4 Millionen (2015): Pablo Picasso, „Die Frauen von Algier“ 142,4 Millionen (2013): Francis Bacon, „Three Studies of Lucian Freud“ 119,9 Millionen (2012): Edvard Munch, „Der Schrei“ GEMÄLDE (Privatverkäufe) 300 Millionen (2015): Paul Gauguin, „Nafea faa ipoipo“ (Wann heiratest du?) 250 Millionen (2011): Paul Cézanne, „Die Kartenspieler“ 155 Millionen (2013): Pablo Picasso, „Der Traum“ SKULPTUREN (Auktionen)

141,3 Millionen (2015): Alberto Giacometti, „Zeigender Mann“ 104,3 Millionen (2010): Alberto Giacometti, „Schreitender Mann“ 59,5 Millionen (2010): Amedeo Modigliani, „Kopf“

 
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