Drei Ziele hat sich die „Klangkartei“ gesetzt: Öfter mal Konzertprogramme mit ungehörter Musik, faire Bezahlung für die Musiker und leichtere Kontakte zwischen Künstlern und Veranstaltern. Das junge Würzburger Start-up mit seinen fünf Mitarbeitern versteht sich als Plattform der Vernetzung in der klassischen Musikszene.
„Wir wollen gute klassische Musik auf Events bringen“, sagt Tim Wendhack. Mit seinen vier Kollegen verfolgt er dieses Ziel seit Anfang 2015, als ihre erste Website noch unter dem Namen „Klassikformat“ online ging. Der neue Name beschreibt das Konzept der Musikwissenschaftler und Webentwickler jedoch tatsächlich treffender: Die „Kartei“ besteht aus Musikern und Ensembles, die sich auf der Homepage mit Biografie, Fotos, Klangbeispielen und Programmvorschlägen präsentieren und von den Kunden, die sich einen bestimmten „Klang“ wünschen, virtuell durchgeblättert werden können.
Eine Art Baukastensystem
Es ist eine Art Baukastensystem, das es dem Veranstalter ermöglicht, mit Künstlern in Kontakt zu treten, die ein passendes Programm in den Sparten Klassische Musik, Alte und Neue Musik, Kammermusik und Jazz anbieten. Die Karteien richten sich an Veranstalter vom Konzertbetrieb über private Events hin zu Firmenfeiern oder Festivals.
Während seines Studiums an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf hat Geschäftsführer Tim Wendhack ein Phänomen beobachtet, das ihn zur Entwicklung der Klangkartei bewog: „Hochschulstudenten können alles spielen und sind zu vielem bereit, wenn man sie nur richtig zusammenbringt.“ Diese Verknüpfung der Musiker untereinander sowie die der Musiker zu den Veranstaltern, die ebensolche suchen, sei schlecht organisiert. Das Agenturwesen ermögliche eine solche offene Kommunikation unter Musikern und Veranstaltern kaum.
Über 200 Neuzugänge verzeichnet die Klangkartei seit August 2016, Tendenz steigend. Der Zugang für Musiker gestaltet sich denkbar einfach: Es wird ein kostenloses Profil erstellt und online veröffentlicht. Die Anfrage von Veranstaltern erfolgt über die Mitarbeiter der Klangkartei oder direkt beim Künstler mithilfe einer Eingabemaske.
Zehn Prozent der Gage geht an die Kartei
Wollen die Künstler Unterstützung beim Erstellen des Profils, steht ihnen das Team zur Seite und stellt Kontakte zu Fotografen oder Tontechnikern her. Die Musikwissenschaftler bei der Klangkartei bieten – wenn gewünscht – auch die Zusammenstellung von sinnvollen und außergewöhnlichen Programmen an, damit die auch Musik abseits des Mainstreams ein Publikum findet.
Nach einem Konzert, das über die Klangkartei zustande kam, erhält der Künstler eine Rechnung über zehn Prozent der Gage. „Uns ist wichtig, dass für gute Musik auch gut bezahlt wird. Deshalb unterstützen wir eine angemessene Bezahlung der Musiker“, sagt Wendhack. Daher sollte die Rechnung der Klangkartei nicht groß ins Gewicht fallen.
Ein Ziel ist auch, das Verständnis dafür zu erhöhen, dass man einen Musiker eben nicht nur für die eine Stunde „Arbeit“ im Konzert bezahlt, sondern anteilig auch für seine jahrelange teure Ausbildung, Instrumentenkauf und Instrumentenversicherung, stundenlanges Üben und ebenso banale wie essenzielle Dinge wie Krankenversicherung und Altersvorsorge.
Der Zugriff seitens der Veranstalter ist ähnlich unkompliziert: Wenn diese wissen, was sie suchen, können sie selbst in der Kartei stöbern und Kontakt zu Musikern aufnehmen. Haben sie nur eine vage Vorstellung von dem, was sie sich wünschen oder wissen vielleicht gar nicht, welche Musik für ihr Event angebracht wäre, kommt das Team der Klangkartei zu Hilfe. Es gilt: Wenn der Veranstalter nicht viel Zeit investieren will oder kann, übernimmt die Klangkartei die Suche, und der Veranstalter pickt sich aus einer Vorauswahl heraus, was ihm gefällt. Derzeit ist der größte und gefragteste Bereich der Eventbereich. Es werden Künstler für Firmenfeiern, Jubiläen, Hochzeiten oder Kulturveranstaltungen gesucht. Auch die klassischen Konzertanfragen laufen gut, sagt das Team.
Längerfristig möchte die Klangkartei ihren Service erweitern. „Dafür ist ein dichtes Netz an Künstlern nötig, das wir erst nach und nach aufbauen werden“, sagt Wendhack. Kleiner zwar noch, aber dennoch bereits in die Klangkartei integriert ist die Suche nach Orchester- und Choraushilfen. Diese Sparte ist an Dirigenten, Ensembleleiter und jeden gerichtet, der für seine Aufführung eine Aushilfe braucht.
Das Team der Klangkartei fand sich in Würzburg und hat das Projekt während des Mozartlabors im Sommer 2015 soweit vorangebracht, dass es ein Video für ein Crowdfunding drehen konnte, mit dem es seine Zielsumme um 740 Euro übertraf. Dieses Geld diente zur Entwicklung der neuen Webseite.
Vier eigene Konzerte im Jahr
„Wir arbeiten derzeit an technischen Herausforderungen der Homepage, die wir nach und nach in den Griff bekommen. Der Klangkartei-Betrieb wird dadurch nicht beeinträchtigt“, sagt Cathrin Mauer, die für das Marketing des jungen Unternehmens zuständig ist. Sie ist überzeugte Musikwissenschaftlerin und sieht ein Potenzial der Klangkartei darin, in der klassischen Musik etwas zu bewegen und die Szene für ungehörte Musik zu öffnen.
Gemeinsam mit Holger Slowik erstellt sie Programme für die „Klangkarteikonzerte“. Diese Würzburger Konzertreihe, mittlerweile im zweiten Jahr, bringt Neue Musik und etablierte klassische Musik an vorzugsweise neue Orte in der Würzburger Innenstadt. Viermal jährlich finden die Konzerte bei freiem Eintritt und mit umfassender Einführung statt, sofern das Programm es erfordert.
Homepage: www.klangkartei.de, es gibt auch eine Facebook-Seite. Das nächste Klangkarteikonzert: Klangkarteikonzert III – Holzbläserkammermusik des Barock und der Moderne, Mittwoch, 10. Mai, 19.30 Uhr, Toscanasaal der Würzburger Residenz.
Raphael Klockenbusch, Oboe; Philipp Nadler, Fagott; Martin Sturm, Cembalo. Werke des Würzburger Hofmusikers Giovanni Benedetto Platti, von Karlheinz Stockhausen und Luciano Berio. Eintritt frei.