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BAYREUTH
Bayreuther Festspiele: Wagner und das Theatertier
Wird „Der Ring des Nibelungen“, dieses mit rund 16 Stunden Spielzeit umfangreichste Werk Richard Wagners, in Bayreuth 2013 ein „Jahrhundertring“, wie zuletzt unter der Regie von Patrice Chéreau 1976? Das rein nummerische Zeug hat die Neuproduktion dazu. Schließlich wird sie zum 200.
Von unserem Mitarbeiter Rüdiger Heinze
 |  aktualisiert: 24.07.2013 11:48 Uhr
Aber der „Jahrhundertring“ von 1976 wurde ja nicht nur so genannt, weil er 100 Jahre nach der Uraufführung herauskam, sondern auch, weil er inszenatorisch außerordentlich schlüssig und rundum gelungen war: Wagners philosophisches Werk um den Wert von Gold, Macht und Liebe hatte Chéreau in seine Entstehungszeit verlegt, also in die Gründerzeit und ihren spezifischen Kapitalismus – eine Idee übrigens, die George Bernard Shaw vorformuliert hatte.

Keine optimalen Voraussetzungen

Ob nun in Bayreuth 2013 der Vierteiler (der erste Zyklus von vier wird vom 26. bis 31. Juli gespielt) auch wieder zu einem inszenatorischen „Jahrhundertring“ gerät, das hängt entscheidend von Frank Castorf ab, dem Intendanten der Volksbühne Berlin. Er hat das Regie-Zepter in der Hand; er trägt die Verantwortung – auch in einem größeren Umfang. Denn es ist ja nicht so, dass die zwei letzten Premieren in Bayreuth rundherum geglänzt hätten. Katharina Wagners und Eva Wagner-Pasquiers Vertragsverlängerung als Bayreuth-Leiterinnen dürfte auch vom Erfolg des neuen „Rings“ abhängen.

Objektiv betrachtet waren und sind die Voraussetzungen für Castorf nicht optimal. Erst das Gewürge um den Regisseur erster Wahl – der Filmemacher Wim Wenders sagte dann aber doch ab –, dann, als wohl zumindest ein weiterer Kandidat nicht zubiss, die späte Auftragsvergabe an Castorf, der zu diesem Zeitpunkt schon im Hintertreffen lag: Ein kompletter „Ring“ lässt sich nur unter hohem Risiko in eindreiviertel Jahren schmieden. Erschwerend kommt hinzu, dass Castorf so viel Opernerfahrung nicht hat. Gewiss, er ist nicht unbeleckt, hat Verdis „Othello“ in Basel inszeniert und Wolfgang Rihms Kammeroper „Jakob Lenz“ in Wien. Aber reichen diese Erfahrungen speziell für Bayreuth und seine hausspezifischen Probenbedingungen, an die sich auch schon alte Opernregie-Hasen erst gewöhnen mussten?

Dank Filmen eine neue Bühnenästhetik

Und dann ist da noch ein Einwand, der einerseits ein wenig latrinenparolenartig erklingt, andererseits aber nicht völlig vom Tische zu wischen ist: Castorf, der gerade seinen 62. Geburtstag feierte, ist nach Meinung der Theater-Branche über seinen Zenit als Regisseur hinaus – so, wie auch die letzten „Ring“-Regisseure zum Zeitpunkt ihrer Bayreuther „Ring“-Premieren über ihren Zenit wohl schon etwas hinaus waren: Jürgen Flimm, Tankred Dorst.

Andererseits gilt, dass Castorf nachgewiesenermaßen ein Theatertier ist, das – nicht zuletzt mittels Filmeinblendung – eine neue Bühnenästhetik entwickelt hat, die richtungsweisend wiederum für jüngere Kollegen wurde. Wenn der gebürtige Berliner gerne als Stückezertrümmerer bezeichnet wird, dann ist das nur die halbe Wahrheit: Castorf ist auch ein Stückeerweiterer, der gerne zusätzliches Material einfügt.

Gut möglich also, dass er zwar nicht andere Musik als Wagners „Ring“-Komposition verwendet, aber vielleicht einmal die Musik anhält, um eine stumme oder gesprochene Szene mit Assoziationsmaterial einzubauen. Das haben auch schon andere Regisseure gemacht. Man wird hören und sehen, staunen, sich ärgern oder gelangweilt bleiben. Viel verlautete bislang jedenfalls noch nicht über den neuen „Ring“. Castorfs ursprüngliche Idee, den „Ring“ als Kampf ums Erdöl zu erzählen, ist schon eineinhalb Jahre alt und möglicherweise modifiziert; und das Festspielhaus selbst rafft sich nur zu Meldungen auf wie: Es gibt mehrere Ringe für mehrere Personen – und auch Ersatzringe, falls einer mal verloren geht.

Fest steht offiziell die weitere „Ring“-Besetzung: Kirill Petrenko, der künftige Generalmusikdirektor der Münchner Staatsoper, wird dirigieren; Aleksandar Denic und Adriana Braga Peretzki entwarfen die Bühne beziehungsweise Kostüme; für Video-Einspielungen sind verantwortlich: Andreas Deinert und Jens Crull. Zu den Sängern gehören: Lance Ryan (Siegfried), Catherine Foster (Brünnhilde), Wolfgang Koch (Wotan), Burkhard Ulrich (Mime), Franz-Josef Selig (Hunding), Attila Jun (Hagen).

Alle Produktionen in Bayreuth 2013

„Der Fliegende Holländer“ Dirigent: Christian Thielemann, Regie: Jan Philipp Gloger, Bühne: Christof Hetzer. Sechs Aufführungen ab 25. Juli. „Der Ring des Nibelungen“ Dirigent: Kirill Petrenko, Regie: Frank Castorf, Bühne: Aleksandar Denic. Vier Zyklen zwischen Ende Juli und Ende August. Erster Zyklus: „Rheingold“ 26. Juli „Die Walküre“ 27. Juli „Siegfried“ 29. Juli „Götterdämmerung“ 31. Juli „Tannhäuser“ Dirigent: Axel Kober, Regie: Sebastian Baumgarten, Bühne: Joep van Lieshout. Sechs Aufführungen ab 1. August. „Lohengrin“ Dirigent: Andris Nelsons, Regie: Hans Neuenfels, Bühne: Reinhard von der Thannen. Fünf Aufführungen ab 2. August. „Tristan und Isolde“ Für Kinder ab acht. Zehn Vorstellungen zwischen 27. Juli und 6. August auf der Probebühne IV.

 
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