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ASCHAFFENBURG
Barwasser lobt Kinseher
In Urban Priols Hofgarten-Kabarett werden am 7. Juli die Bayerischen Kabarettpreise übergeben. Den wichtigsten bekommt Luise Kinseher – und Frank-Markus Barwasser hält die Lobrede auf sie.
Das Gespräch führte Thomas Steierer
 |  aktualisiert: 04.07.2014 16:45 Uhr

Luise Kinseher, charmant-hinterfotzige Mama Bavaria vom Nockherberg-Derblecken, resolute Polizeichefin in der Fernsehserie „München 7“ und nicht zuletzt Spitzenfrau des deutschsprachigen Typenkabaretts, erhält am Montag (7. Juli) im Aschaffenburger Hofgarten-Kabarett den Hauptpreis des Bayerischen Kabarettpreises. Der BR strahlt den Abend am 11. Juli ab 22 Uhr aus. Im Interview spricht die niederbayerische Wahlmünchnerin über schwierige Anfänge, das Nockherberg-Derblecken, ihren Laudator, den Würzburger Kabarettisten Frank-Markus Barwasser (alias Erwin Pelzig), sowie ihr neues Bühnenprogramm.

Frage: Der Bayerische Kabarettpreis ist nicht Ihre erste Auszeichnung. Inwieweit helfen Preise?

Luise Kinseher: Das Passauer Scharfrichterbeil hat mir definitiv sehr viel gebracht. Ich war, als ich es 1999 gewann, absolut unbekannt. Der Preis brachte mir die nötige Aufmerksamkeit, um überhaupt an Auftrittsmöglichkeiten zu kommen. Das war damals sehr wichtig für mich.

Was verbindet Sie mit Ihrem Laudator Frank-Markus Barwasser?

Kinseher: Ich habe ihn immer zutiefst bewundert. Er ist ein genauer Denker und Beobachter, ein Meister der Pointe und ein unnachgiebiger Kämpfer für die Gerechtigkeit. Seit bald 15 Jahren sind wir sehr eng verbunden. Er war und ist mir als Mensch und Kollege immer Ansporn, Kritiker und Freund.

Was war und ist Ihre Motivation für Kabarett – gab es da Veränderungen im Laufe der Zeit?

Kinseher: Ich denke schon. Anfangs überwog der Wunsch, auf die Bühne zu gehen, dann kam das dringende Bedürfnis dazu, sich selbst zu verwirklichen und eigene Geschichten zu erzählen. Heute überwiegt für mich die Freude, die ich anderen geben kann.

Ihre Magisterarbeit im Rahmen Ihres Studiums der Germanistik, Theaterwissenschaften und Geschichte haben Sie über Sigi Zimmerschied verfasst. Gab und gibt es Vorbilder im Kabarett?

Kinseher: Sigi Zimmerschied war immer ein Vorbild für mich. Seine Präzision der Sprache, seine unglaubliche Bühnenpräsenz, seine Liebe zum Beruf. Aber es ist auch ein wichtiger Schritt, sich von seinen Vorbildern zu befreien und den eigenen Weg zu suchen.

Lässt sich ein roter Faden in Ihren bisher fünf Soloprogrammen benennen?

Kinseher: Ich habe mich in allen Programmen mit übergeordneten philosophischen Themen beschäftigt, wie Tod, Heimat, Glück, Freiheit oder Reichtum, und versucht, diese auch kabarettistisch irgendwie greifbar zu machen. Als Nächstes folgt das Thema „Zeit“ in meinem neuen Solo „Ruhe bewahren“, das im Herbst Premiere haben wird.

Was waren Meilensteine in Ihrer Karriere, wann gab es die Gewissheit: Das ist mein Weg?

Kinseher: Rückblickend wirkt alles, was ich in meinem Leben gemacht habe, als ein wichtiger Mosaikstein in meiner Entwicklung als Kabarettistin. Mein Job als Kellnerin in der Studentenzeit, meine vielen Jahre an der Iberl-Bühne, meine Zeit als Pressesprecherin im Theater im Schlachthof. Alles half mir, das zu tun, was ich heute mache. Auch wenn ich es damals noch nicht wusste: Kabarett war immer schon mein Leben.

Gab es auch Gegenwind, Zweifel am eingeschlagenen Weg?

Kinseher: Ich würde mal sagen, die ersten fünf bis acht Jahre hatte ich nur Zweifel und Ängste. Mein erstes Programm hab ich nur unter Tränen geschrieben, oft habe ich in den Vorstellungen in der Pause geweint und mich gefragt, warum ich mir das antue.

Von welcher Seite ist Feedback wichtig und entscheidend für Sie, von welcher Seite weniger?

Kinseher: Der Nockherberg ist eine absolute Ausnahmesituation. Es gibt so viele unterschiedliche Erwartungen und Vorstellungen von dem, was der Nockherberg leisten soll und kann. Ich habe von Anfang an erkannt, dass ich der Aufgabe nur gewachsen sein kann, wenn ich einzig und allein auf meine innere Stimme höre.

Typenkabarett bei den Soloprogrammen, politisches Kabarett bei der Fastenpredigt auf dem Nockherberg: Was schätzen Sie an Ihrer Rolle als Mama Bavaria?

Kinseher: Der Bavaria ist es gelungen, von den meisten Menschen geliebt oder zumindest akzeptiert zu werden. Als ich den Nockherberg zum ersten Mal machte, bekam ich schon im Vorfeld viele Beschimpfungen und sehr böse Mails, die extrem unkultiviert und vor allem äußerst frauenfeindlich waren. Aber mit der Figur ist es gelungen, diese Stimmen weitgehend verstummen zu lassen und zu zeigen, dass man auch als Frau am Nockherberg einen Platz finden kann. Das schätze ich sehr an der Bavaria!

Wie lässt sich Ihr Fernseh-Engagement in der Serie „München 7“ als Polizeieichefin Thekla Eichenseer in Ihr Gesamtschaffen einordnen?

Kinseher: Es macht Spaß, ab und an etwas ganz anderes zu machen. Das gibt neue Impulse und bereichert den Erfahrungsschatz.

„Ruhe bewahren“ heißt Ihr neues Programm. Wollen Sie bereits etwas darüber verraten?

Kinseher: Das Programm beschäftigt sich mit der Frage, warum wir durchs Leben hetzen und die wirklich wichtigen Dinge auf morgen verschieben. Doch was ist wichtig? Wie finde ich es heraus? Welche Bedeutung hat dabei der Faktor Zeit? Ich werde mich da wieder in verschiedenen Rollen dem Thema annähern und versuchen, meinem Publikum ein paar erhellende Denkanstöße zu liefern.

Wie schaffen Sie es, Ruhe zu bewahren, wann fällt es Ihnen schwer

Kinseher: Ich denke, wer es in seinem Leben geschafft hat, zu einer tiefen inneren Ruhe zu gelangen, ist nicht mehr weit weg von der Erleuchtung. Aber ganz im Ernst: Gelassenheit gehört zu meinen absoluten Lebenszielen! Das hört sich erst mal wie ein Widerspruch an, denn für viele Kabarettisten würde Gelassenheit das Ende jeder Kreativität bedeuten. Als Kabarettist muss man sich schließlich immer über alles Mögliche aufregen, die Faust heben und wütend sein. Das mag sein. Ich aber nicht.

Luise Kinseher

Geboren am 4. Januar 1969, wuchs Luise Kinseher im niederbayerischen Geiselhöring auf. Sie studierte in München Germanistik, Theaterwissenschaften und Geschichte. Erste Bühnenerfahrungen als Kabarettistin sammelte sie 1992. Von 1993 bis 1998 war sie Ensemblemitglied der Iberl-Bühne in München-Solln, wo sie in über 800 Vorstellungen auftrat. 1998 präsentierte sie ihr erstes Soloprogramm („Ende der Ausbaustrecke“). Regisseur Franz Xaver Bogner entdeckte Kinseher als bayerische Volksschauspielerin und besetzte sie in seinen Fernsehserien in Schlüsselrollen, so zum Beispiel als Hanna Graf in „Café Meineid“ oder als Polizeirevierleiterin Thekla Eichenseher in „München 7“. In Frank-Markus Barwassers Film „Vorne ist verdammt weit weg“ und Marcus H. Rosenmüllers „Beste Zeit“ war sie auch im Kino zu sehen. Als Chefsekretärin Gabi Blümel hält sie regelmäßig Rückschau in „Nix für ungut“, dem kabarettistischen Wochenrückblick des Bayerischen Fernsehens. 2010 spielte Kinseher beim Singspiel des traditionellen Politiker-Derbleckens auf dem Nockherberg erstmals die Mama Bavaria; 2011 hielt sie in dieser Rolle als erste Frau überhaupt die Salvatorrede. Auszeichnungen: 1999 Passauer Scharfrichter, 2002 Mindener Stichling, Solopreis, 2002 Deutscher Kleinkunstpreis, Förderpreis, 2003 Kabarettpreis der Landeshauptstadt München, 2012 Bairische Sprachwurzel Straubing, 2013 Ernst-Hoferichter-Preis der Landeshauptstadt München. Am Montag, 7. Juli, kommt der Hauptpreis des Bayerischen Kabarettpreises dazu.

Frank-Markus Barwasser hält die Laudatio auf seine alte Freundin Kinseher.
Foto: dpa | Frank-Markus Barwasser hält die Laudatio auf seine alte Freundin Kinseher.
 
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