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Barbara Rütting: Ein Wiedersehen mit Wally
Ergreifender Moment: Nach über 60 Jahren sieht sich Barbara Rütting erstmals im Kino in der Rolle der „Geierwally“ aus dem Jahr 1956.
Foto: Günter Roth | Ergreifender Moment: Nach über 60 Jahren sieht sich Barbara Rütting erstmals im Kino in der Rolle der „Geierwally“ aus dem Jahr 1956.
Günter Roth
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:18 Uhr

Beifall brandet auf im Kinosaal des Movie im Luitpoldhaus, und als das Licht angeht, wischen sich mehrere der rund 100 Gäste die eine oder andere Träne der Rührung aus den Augen. Eben ist der treue Geier Hansi davongeflogen, nachdem die Geierwally und ihr Jäger Josef endlich glücklich ein Paar geworden sind. Ganz besonders berührt aber ist Barbara Rütting, die vor über 60 Jahren die tatkräftige und doch tragisch zerrissene Walburga so eindrucksvoll verkörpert hatte. „Den Film habe ich bis jetzt einmal zu Hause im Fernsehen gesehen und vor Ergriffenheit die ganze Zeit geweint“, hat sie vorab im Gespräch mit dieser Redaktion erzählt.

Die „Geierwally“-Matinee ist ein nachträgliches Geschenk des Movie im Luitpoldhaus, Barbara Rütting ist vor wenigen Monaten 90 Jahre alt geworden. Auch diesmal sind mehrere Tücher feucht geworden, doch die Tränen sind rasch getrocknet und die Schauspielerin kommt mit ihrem Publikum ins Gespräch. Sie steht vor der Leinwand und fühlt sich selbst eigentlich kleiner als damals 1956.

Parallelen zur Filmfigur

Aber noch immer spürt man die Körperspannung, die Ausstrahlung und die leidenschaftliche Glut in den Augen, die kein bisschen müde wirken. „Ich habe in meinem Leben immer Visionen verfolgt. Das Theater und der Film waren ein Teil davon, jetzt kommt der wichtige“, erzählt Rütting, die sich nach ihrer Schauspielkarriere als Politikerin, Aktivistin und Autorin für den Frieden und für den Menschen-, Tier- und Naturschutz eingesetzt hat. Zurzeit ist sie für die V-Partei³ als Verfechterin der vegetarischen und veganen Ernährung aktiv.

Im Gespräch mit den Besuchern werden natürlich die Parallelen zur Filmfigur aufgegriffen. Wie viel Wally steckt in Barbara – oder umgekehrt? Mehr als 95 Prozent, so die prompte Antwort. „Die Geierwally und ich, wir sind uns charakterlich sehr ähnlich – leidenschaftlich und störrisch, eifersüchtig und rachsüchtig bis zur Schmerzgrenze.“

Da ist etwa die Szene, in der sie ein verirrtes Lämmchen aus der Bergwand rettet und tröstet: „Du bist wie ich! Immer dahin, wo's nicht weitergeht!“ Oder da ist der Pfarrer, der sie mit einem knorrigen Stück Holz vergleicht, aus dem der Herrgott eine Heilige schnitzen möchte.

„Ich weiß noch genau aus eigener Erfahrung, wie weh Liebeskummer tut. Deshalb berührt mich Wallys Schicksal so stark. Obwohl ich schon so alt bin, tobe ich leider immer noch durchs Leben. Aber ich arbeite daran“, sagt Rütting mit einem Schuss Wehmut, aber auch voll Selbstbewusstsein.

Authentische Botschaften

Nicht zufällig heißt ihre kürzlich erschienene Autobiografie „Durchs Leben getobt“. Der Begriff Schauspielerin gefällt ihr so gar nicht. Viel lieber wollte sie immer als eine „Schau-Leberin“ Inhalte und authentische Botschaften von sich selbst rüberbringen.

Und wie war das mit Familie und eigenen Kindern? „Leider nicht, obwohl ich mir nichts sehnlicher gewünscht hätte. Für mich waren in diesem Leben offensichtlich andere Aufgaben vorgesehen.“ Besonders interessieren die Besucher im Kinosaal Hintergründe und Anekdoten rund um die Entstehung des Films, der nach dem Roman von Wilhelmine von Hillern aus dem Jahr 1873 das belegte Leben der Tirolerin Anna Stainer-Knittel literarisch verarbeitet.

Gemessen an heutigen Verhältnissen ging es bei den Dreharbeiten in den 1950er Jahren ruhiger zu. „Wir hatten einfach Zeit für die einzelnen Szenen“, so Barbara Rütting. Andererseits war auch vieles direkter, rauer und manchmal auch gröber. Die Frau vor der Leinwand erinnert an den Disput mit dem Höchstbauern, ihrem Filmvater Franz Pfaudler, der sie wütend gegen den Bettpfosten stößt. Noch heute hat Barbara eine schmerzende Stelle am Rücken davon.

30 Tage mit Geier Hansi

Und dann ist da noch der Geier Hansi. Eine Woche hat die damals knapp 30-Jährige mit dem Tier im Käfig verbracht, um ihn an sich zu gewöhnen. Damit der Vogel der Wally im Film scheinbar zärtlich das Haar kraulte, musste sich diese zuvor Fleischstückchen in den Haarkranz einarbeiten lassen. Die zupfte sich Hansi dann allerdings wenig einfühlsam heraus – sogar einige Haarbüschel gingen mit heraus.

Rustikal ging es am Set auch bei der Bergung des abgestürzten Jägers Josef zu. Ohne jeden Trick oder gar Stunt-Unterstützung wurde die Wally, den schweren Josef auf dem Rücken, am Seil über hundert Meter nach oben gezerrt, was ihr nicht nur Schrammen eintrug, sondern auch die ganz konkrete Angst, vom Seil erwürgt zu werden.

Einer muss immer anfangen

Was bleibt nach einer Karriere als Schau-Leberin, als politische Aktivistin und erfolgreiche Autorin? Barbara Rütting hat eine klare Botschaft: „Ich war oft eine leidenschaftliche Vorreiterin, gelegentlich scheinbar auf verlorenem Posten und wurde dafür auch verspottet. Aber einer muss doch mal anfangen damit!“

Als sie aus dem Publikum als starke Frau und Vorbild für andere Frauen bezeichnet wird, relativiert sie gerade dies: „Manchmal tu' ich nur so stark“, schränkt sie ein. Es helfe den Frauen nichts, wenn sie scheinbar unbeirrbaren und unerreichbaren Vorbildern nacheifern. Nur wer trotz aller Selbstzweifel und Unwägbarkeiten anpackt, erreicht etwas, auf das er stolz sein kann.

Barbara Rütting: „Die Geierwally und ich, wir sind uns charakterlich sehr ähnlich.“
| Barbara Rütting: „Die Geierwally und ich, wir sind uns charakterlich sehr ähnlich.“
 
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