In der Weite der düsteren Bühne steht das goldene Vließ. Medea taucht auf. Stolz, aufrecht. Ihre Hände sind so blutrot wie ihr Kleid. Mit List und Zauberkraft hat sie das Vließ gestohlen, um dem geliebten Jason zu Gefallen zu sein. Doch Unrecht zahlt sich nie aus. Das Unheil, das mit einem Mord begonnen hat, nimmt seinen Lauf.
Ein hochemotionaler Krimi bahnt sich an. Medea (Ayako Kikuchi) erhebt sich auf die Spitze, tanzt die Schuld weg, die sie auf sich geladen hat. Später wird sie ihre Nebenbuhlerin verwünschen, ihre Kinder innigst liebkosen, um sie im nächsten Moment in tiefster Verzweiflung zu vergiften. Sie wird Ehemann Jason die Hände verbrennen. Den Seelenzustand zwischen Hingabe, Stolz, Qual und höchster Pein dieser bis ins Mark verletzten Frau weiß Ayako Kikuchi beseelt, mit akkuratem Können und hochdifferenzierter Gestaltung darzustellen.
Das Philharmonische Orchester Würzburg unter der sorgfältigen und inspirierenden Leitung von Jonathan Seers legt mit der Musik von Samuel Barber und Dmitri Schostakowitsch den Klangboden dazu.
Jason (von bestechender Wandlungsfähigkeit und gewohnter Bühnenpräsenz: Ivan Alboresi) und Medea verlassen die Heimat, nachdem sie dort keine Dankbarkeit erkennen können. Die Bühne weitet sich. Unter dem Sternenhimmel erheben sich die Mauern von Korinth, die von Bild zu Bild bewegt werden und so immer wieder eine neue Perspektive freigeben (Bühne: Arko Petrovic).
Die Frauen von Korinth mischen sich ein. In langen fließenden Gewändern (Kostüme: Stephan Stanisic) gebärden sie sich mit weit ausholenden Bewegungen und furiosen Tanzkombinationen. Sie verfolgen, ja kommentieren das Geschehen, sind sanft, neckisch, betroffen, entsetzt.
König Kreon (in stolzer, königlicher Würde: Dmitry Ludyanin) tritt auf. Seine Tochter Kreusa (akrobatisch in der Gestik, ein naives Kind in der Mimik, das vom wahren Leben überwältigt wird: Zoya Ionkina) hängt wie ein Spieltierchen an ihm. Sie bezirzt Jason, lässt ihn – ganz Mann – die Vergangenheit vergessen. Er wird Medea verstoßen und Königstochter Kreusa heiraten. Medea bleibt die verzweifelte Rache.
Es sind die ganz großen Emotionen, die Tänzerinnen und Tänzer über die Rampe bringen. Sie verschmelzen geradezu mit ihren Rollen, lassen sich voll in die Musik fallen. Im Pas de deux, zu dritt, zu viert, in großer Formation fesseln sie, treiben die Handlung dramatisch in die unvermeidliche Katastrophe. In dem russischen Märchen „Der Feuervogel“ nach der Musik von Igor Strawinsky siegt das Gute. Es ist keine märchenhafte Welt, sondern eine jetzige, in der die vom Zauberer Kastschei Geknechteten (stolz und herausfordernd: Dmitry Sludyanin) aus ihren Erdlöchern quellen. Per Videoinstallation ist im Hintergrund eine Art Atomreaktor zu erkennen, vor dem sich ein Absperrgitter aufbaut.
Im Niemandsland entzieht sich lediglich die schöne Zarewna (anmutig und bezaubernd: Caroline Matthiessen) der Willkür des Bösen, denn sie steht unter dem Schutz des Feuervogels. Yoshimasa Samos tanzt ihn mit bestechender Körperlichkeit, flatternden Bewegungen und starken Sprüngen. Nach Konkurrenz und Kämpfen mit Iwan dem Fremden (kraftvoll und wandlungsfähig: Aleksey Zagorulko)und Zauberer Katschei öffnet sich unter der aufpeitschenden Rhythmik der Musik für alle die Sonne. Der sich opfernde Feuervogel steigt auf aus der Asche.
Nächste Vorstellungen: 2., 4., 10. Dezember. Vorverkauf unter: Tel. (09 31) 39 08-124