So ganz bekommt man sie nicht zusammen, die Aufregung und die Wirklichkeit. „Das deutsche Pop-Album des Jahres!“, jubelte der „Spiegel“. „Was für eine Stimme!“, staunte der „Rolling Stone“. Die „Berliner Zeitung“ schwärmte von einer Kunst, vor der man „lediglich niederknien kann“. Die „Vogue“ brachte Fotos. Und die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ bat zum großen Gespräch.
Über Balbina, junge Sängerin und Komponistin aus Berlin, wird viel gesprochen, viel geschrieben, viel gejubelt. Spätestens, seit sie in diesem Frühsommer mit Herbert Grönemeyer auf große Deutschlandtour durfte, gilt ihr Deutsch-Pop nicht mehr nur als Geheimtipp. Poetische Texte, berückend schöner Sound, ungewöhnlich intonierter Gesang, außergewöhnliche Optik – so was wird über die 31-jährige Popmusikerin geschrieben. Und dass sie lange als Außenseiterin angesehen wurde, die sich mit dem Rap der Berliner Untergrundszene beschäftigte und deren Musik irgendwie als kompliziert galt.
Jetzt steht Balbina mit ihrer Band am Würzburger Mainufer auf der Hafensommer-Bühne. Weiße Stoffturnschühchen, weißes skulpturales Krankenschwester-Nonnen-Kleid, Porzellanpuppengesicht. „Danke, dass ihr mir zuhört“, sagt sie, bevor es was zum Zuhören gibt. Dann singt sie. Über die Vergesslichkeit des Goldfischs und die eigene. Über die Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen. Über das Grübeln, wie ihr neues Album heißt. Über muffige Zimmer und tückische Fenster. Über – „Oropax“ – Lärmempfindlichkeit. Die Texte reichen von bizarr („Ich steh' zwischen den Stühlen wie ein Tisch, ich weiß nicht was ich will“) über befremdlich („Ich bin gestärkt wie der Hemdkragen, den ich trage„) bis banal („Ich muss aufhören, auf alles zu hören“). Bei „Kuckuck“, dem Lied über Hüllen und dem was drinnen steckt, klopft sich Balbina an den Kopf und winkt und wedelt ins Auditorium. Weil vieles schrill, schmerzhaft ist, weil die Sängerin mit den puppigen Bewegungen und merkwürdigen Gesten zornig und laut wird, hätte man auch gerne Oropax.
Die Musik? Mal ein bisschen Glockenspiel, mal heftige Bässe, gefällige Rhythmen, radiotaugliche Beats. Schaut man nicht hin, hört man nicht auf die Texte, klingt's nach Popmusik zum beiläufig Hören. Aber es gibt eben auch die Aufregung. Im Publikum, geschätzt knapp 500 Leute, sitzt eine Gruppe Fans und klatscht und pfeift und jubelt heftig.
Andere freuen sich, ein gutes Konzert gehört zu haben – zuvor, von einer spannenden neuen Band aus Schweden und einer starken Sängerin: Tula mit Fanny Risberg.