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Würzburg
Bachs Mehrstimmigkeit als Klangphänomen
Geradlinige Phrasierungen, große metrische Stabilität: Das Vogler-Quartett zeigt sich bei den 50. Würzburger Bachtagen als Vertreter der deutschen Quartett-Schule. 
Das 1985 in Ostberlin gegründete Vogler-Quartett
Foto: Marco Borggreve | Das 1985 in Ostberlin gegründete Vogler-Quartett
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:56 Uhr

Bach und Schostakowitsch in direkter Nachbarschaft - das passt schon. Vor allem Kunst der Fuge und achtes Streichquartett haben dank ihrer polyphonen Anlagen viel gemeinsam, auch wenn die Klangwelten dieser im Abstand von über 200 Jahren entstandenen Werke selbst höchst unterschiedlich sind. Wobei man Bachs Contrapuncti vielleicht nicht unbedingt immer so getragen und ernst zelebrieren muss, wie es das Vogler-Quartett bei den Würzburger Bachtagen in der St. Johanniskirche tat. Aber wie gesagt: Die Verbindung zu Schostakowitschs düsterem Streichquartett in c-Moll fiel dadurch umso stärker auf.

Das Vogler-Quartett, 1985 in Ostberlin gegründet, ist hörbar der deutschen Quartett-Schule verpflichtet. Das bedeutet vor allem geradlinige Phrasierungen, große metrische Stabilität und eine gewisse Distanz auch in dramatischen oder emphatischen Passagen. 

Und das bedeutet im Falle der Kunst der Fuge - durchaus passend in der breiten Akustik der Kirche - vor allem eine Konzentration auf die Harmonik. Weniger auf Struktur oder gar diesen kaum zu vermeidenden Swing bei Punktierungen und Synkopen, sondern auf changierende Klangflächen, in denen zwar die einzelnen Stimmen immer nachvollziehbar bleiben, in denen auf Dauer aber vor allem der stete Wechsel von Konsonanz und Dissonanz fasziniert.

Musikalische Abrechnung mit der Partei

Schostakowitschs achtes Quartett lief lange unter dem Label der Aufarbeitung der Bombardierung Dresdens, das Sowjetregime hatte den Untertitel "Im Gedenken an die Opfer des Faschismus und des Krieges" erzwungen. Tatsächlich sind hier – gewissermaßen versteckt, wie so oft bei Schostakowitsch – viel persönlichere Erfahrungen verarbeitet, nämlich eben jene Gängelung durch die Partei, die den Komponisten ein Leben lang quälte. Sehr eindrucksvoll übrigens nachzulesen in Julian Barnes' Roman "Der Lärm der Zeit".

Das Vogler-Quartett spielt auch dieses Stück eher geradlinig denn romantisch - wilde Ausbrüche und sarkastische Tänze erklingen gewissermaßen gefiltert durch die Vermittlung der Interpreten. Sie erzählen eine Geschichte, werden aber nicht selbst zu Akteuren darin.

Johannes Brahms' zweites Streichquartett ist dagegen über weite Strecken purer Gesang. Das Vogler-Quartett macht es zu einem opulenten Garten der Klänge, den das Publikum mit langanhaltendem Beifall honoriert. Als Zugabe Philipp Glass: Der Kopfsatz aus dem Streichquartett "Company", eine, wenn man so will, skelettierte Auffassung der Gattung.

 
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