24 Präludien und Fugen, je eine in Dur und Moll in jeder Tonart. C-Dur, c-Moll, Cis-Dur, cis-Moll und so weiter. Johann Sebastian Bach hat das gleich zweimal durchexerziert, in den beiden Bänden des "Wohltemperierten Klaviers". Band eins ist dank des ersten Präludiums (und des von Gounod dazukomponierten "Ave Maria") ein bisschen bekannter, Band zwei weniger. Entsprechend selten werden die Zyklen im Konzert gespielt.
Was nicht zuletzt daran liegt, dass so viel Bach am Stück eine Herausforderung ist – für den Pianisten wie für den Zuhörer. Markus Bellheim jedenfalls hat sich in Alexander Schimpfs Würzburger Konzertreihe "Klaviermusik in Gethsemane" mit Band zwei dieser Herausforderung gestellt und mit ihm ein Publikum, das die Rundkirche auf dem Heuchelhof beinahe ganz füllte. Bellheim hat in Würzburg studiert und gelehrt, seit 2011 ist er Professor in München und ansonsten international unterwegs. Zum "Wohltemperierten Klavier" sagte er vorab im Interview: "Nach der letzten Fuge ist man irgendwie verändert, gereinigt. Offener und sensibler für die Umgebung, frei im Kopf."
Der moderne Flügel als Medium der Klarheit
Eine Vorhersage, die auch an diesem Nachmittag eintrat – für den Pianisten vermutlich mit einer Beimischung von Erschöpfung, für den Zuhörer mit einer großen Beimischung Bewunderung. Markus Bellheim hat seinen eigenen Weg mit Bach gefunden. Den modernen Flügel nutzt er nicht als Zauberkasten der vielen Farben und dynamischen Möglichkeiten (was zweifellos verlockend wäre), sondern vor allem als Medium der Klarheit.
Denn das ist das vielleicht Faszinierendste an Bachs Musik: Die kompositorische Mammutleistung mit unendlich vielfältigen Präludien und atemberaubend kunstvoll gebauten Fugen tritt schon nach den ersten Tönen hinter der tiefen Emotion zurück. Es steckt alles drin: Aufbruch und Resignation, Euphorie und Trauer, Wut und Zärtlichkeit. Bellheim lässt all das entstehen, indem er die Töne als solche sprechen lässt. Er gestaltet vor allem über Tempi und Phrasierung.
Es eröffnen sich dem Zuhörer zahllose Möglichkeiten
So entsteht sehr bald eine Welt der sprechenden Klänge, die dem Zuhörer zahllose Möglichkeiten anbietet: Er kann den Weg der Themen und Motive quer durch alle Register verfolgen. Oder er kann sich den Klängen selbst hingeben, diesen immer wieder überraschenden Überschneidungen und Überlagerungen, die sich zu krausen Dissonanzen verdichten, nur um sich alsbald in strahlendes Dur oder mildes Moll aufzulösen. Oder er kann einfach den Swing genießen, der immer wieder in den motorischen Abschnitten entsteht. Wenn man ihn lässt. So wie Markus Bellheim dies kann. Er hat dem Publikum in diesen zweieinhalb Stunden Welten eröffnet. Und dieses dankt ihm mit sehr langem Beifall.