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STUTTGART
Aus dem Leben eines Kunstfälscher-Jägers
Erwischt: Ernst Schöller mit einem gefälschten Bild von Francis Picabia.
Foto: SEbastian Kahnert, dpa | Erwischt: Ernst Schöller mit einem gefälschten Bild von Francis Picabia.
dpa
 |  aktualisiert: 11.12.2019 15:05 Uhr

Den Namen Beltracchi kann er nicht mehr hören: Den jüngsten Kinofilm über den Fälscher aus Freiburg will Ernst Schöller meiden, und am liebsten würde er jede Äußerung dazu verweigern. Doch beruflich kam er um den Mann bis vor kurzem nicht herum. Schöller, 60 Jahre alt, war 34 Jahre lang der wohl profilierteste Kunstermittler des baden-württembergischen Landeskriminalamts (LKA), ja bundesweit. Seit Juni ist der Hauptkommissar im Ruhestand.

In der Asservatenkammer des LKA prüft Schöller eine rund 30 mal 40 Zentimeter große Leinwand zwischen Daumen und Zeigefingern. Auf der Vorderseite ein abstraktes Werk in tiefem Blau, darauf ein helles geschwungenes Muster – offenbar von Francis Picabia, einem exzentrischen französischen Maler.

Rostige Nägel fixieren die Leinwand am Rahmen. Ein authentisches Kunstwerk aus früheren Zeiten, möchte man meinen. Doch dann dreht Ernst Schöller die Malerei um und deutet auf das noch helle und akkurat geschnittene Holz sowie die nahezu fleckenlose Leinwand: „Sieht so ein Rahmen aus dem Jahr 1948 aus?“, fragt der Kunstfälscher-Jäger rhetorisch.

1974 kam Schöller zur Polizei, seit 1980 war er als Kunst-Kommissar im Einsatz. Seine erste von ihm enttarnte Fälschung war ein Schrank, angeblich aus dem Jahr 1617. Ihn entdeckte er auf einer Messe. Die gleichmäßigen Spuren eines maschinellen Hobels machten Schöller stutzig. Denn diese Werkzeuge gab es erst seit 1850. Schöller tat so, als wollte er kaufen, und zückte an der Kasse seinen Dienstausweis.

Bei den meisten beschlagnahmten Kunstwerken bewies Schöller einen guten Riecher. Und so sind nur wenige Bilder in der engen Kammer ohne Tageslicht echt. Schöller analysierte dort Diebesgut und Fälschungen gemeinsam mit wenigen spezialisierten Kollegen. Arbeiten auf Papier beurteilt das insgesamt vierköpfige Dezernat 413 für Kunst und Antiquitäten meist ohne fremde Hilfe. Mit Lupe, UV-Licht, vor allem aber mit jahrelanger Erfahrung kommt es Fälschern auf die Spur. Wenn Pigmente oder Bindemittel untersucht werden müssen, helfen den Fahndern das Berliner Rathgen-Forschungslabor oder das Münchener Doerner-Institut. 668 Fälle bearbeiteten die Kriminalbeamten allein 2012. Meistens geht es um Fälschungen.

Betrug oder Urkundenfälschung

Dabei ist das bloße Kopieren der Werke in Deutschland nicht strafbar. Schöller klagt: „In Frankreich können Fälschungen einfach eingezogen werden.“ Das würde er sich auch in Deutschland wünschen. Bisher verhandeln deutsche Gerichte bei Fälschungen nur wegen Betrugs oder Urkundenfälschung – sofern das Werk signiert ist. Ob Fälscher nicht auch Künstler sind? Ernst Schöller hasst diese Frage. „Gute Handwerker vielleicht, aber ihnen fehlt einfach die eigene Kreativität. Bislang habe ich noch keinen Fall gesehen, bei dem die Bilder denselben Wert wie die der gefälschten Künstler hatten“, sagt der Fachmann.

Kunstkriminelle sind dann ideenreich, wenn es darum geht, welche Kunst sie auf den Markt bringen. So waren bis in die 1970er-Jahre noch stark sakrale Kunst, Meißner Porzellan oder Perserteppiche gefragt, auch Ikonen, Leuchter oder Pietas, die oft aus Kirchen gestohlen und von herumreisenden Dieben aus dem Kofferraum verkauft wurden. Heute sind vor allem Klassiker der Moderne gefragt: Chagall, Picasso oder Pop-Art-Künstler.

Gibt es auf dem Kunstmarkt ein Umdenken nach dem Prozess, der mit sechs Jahren Haft für den Fälscher Wolfgang Beltracchi endete? „Beltracchi ist nur einer von vielen. Es gab Konrad Kujau, Wolfgang Lämmle und andere“, sagt der Kunstermittler. Er sieht weitere Skandale kommen. Doch auch ohne neuen Skandal: Allein von Beltracchi kursieren weiter Hunderte Fälschungen. Schöller wird sie künftig nur noch in seiner Freizeit im Museum entdecken.

Der Kölner Kunstversteigerer Markus Eisenbeis würde Fälschungen am liebsten dauerhaft aus dem Verkehr ziehen. Seit acht Jahren pflegt er deshalb zusammen mit 35 weiteren Auktionshäusern in Deutschland eine Datenbank für kritische Werke - also für Kunst, die wahrscheinlich gefälscht ist. Nur die beteiligten Auktionshäuser haben auf die 2800 dort inzwischen eingestellten Werke Zugriff. „Seit Beltracchi ist die Akzeptanz bei den Kollegen für diese Datenbank deutlich gestiegen“, berichtet Eisenbeis. Doch ist eine Datenbank ein Allheilmittel gegen Fälschungen bei Auktionen? Das wichtigste Argument dafür, findet Markus Eisenbeis, ist der Ruf, den die Häuser zu verlieren hätten.

 
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