Es darf wieder gekichert und gelacht werden, bis die tirilierenden Amseln auf dem Maßbacher Schlossdach vor Neid erblassen – beim Schwank aller deutschen Schwänke, dem 1884 uraufgeführten „Raub der Sabinerinnen“ von Franz und Paul von Schönthan.
Es gibt allen Grund zum Gelächter in dieser turbulenten Komödie, die von Rolf Heiermann für die Freilichtbühne maßgeschneidert und inszeniert wurde. Schließlich erfreut es einen, wenn – auf welcher Bühne des Lebens auch immer – die Eitelkeiten eines treudeutschen Ehrenmannes Stück für Stück öffentlich zerlegt werden, ohne dass das System seiner bürgerlichen Ordnung grundsätzlich aus den Fugen gerät.
Professor Gollwitz, Geschichtslehrer und Kleinstadtbürgermeister, ist so ein Fall. Zumindest ab dem Zeitpunkt, an dem eine Jugendsünde aus unbeschwerten Studententagen in die Hände des exaltierten, von seiner Mission glühenden Direktors einer Wandertheatergruppe gerät: das Textbuch seines tragischen Historienspektakels „Der Raub der Sabinerinnen“. Prinzipal Striese und seine Compagnie werden das Werk, das sich furchtbar ernst nimmt, im örtlichen Schützenhaus aufführen und auf ganz andere Weise zum Erfolg bringen als der verhinderte Schöngeist Gollwitz erhofft.
Zeitloses Erfolgsstück
Um einen solchen Schwank aus den Kindertagen des deutschen Theaterhumors zu einem nahezu zeitlosen Erfolgsstück zu machen, braucht es die verschiedensten Zutaten in der richtigen Dosierung: Populäre Klischees. Völlig überzeichnete Charaktere, die wie Marionetten agieren und voller Pathos sprechen. Albernheiten. Verstrickung gegensätzlicher Motive. Tempo. Und unerwartete Wendungen.
Diese Ingredienzien hat Heiermann in Maßbach gut dosiert und gut gemischt. Er lässt seine Darsteller in naturalistischer Salonausstattung von Robert Pflanz zu populären (gelegentlich zu aufdringlichen) Melodien aus der Zeit der Jahrhundertwende regelrecht über die Bühne tänzeln - schwingend, schwankend, schwadronierend. Marc Marchand verkörpert mit Inbrunst und mit schweizerdeutschem statt sächsischem Akzent den Striese, Georg Schmiechen mit gegensätzlicher Inbrunst den eitlen Professor. Silvia Steger mimt überzeugend die Spezies der mittelschwer tyrannischen Ehegattin, Katharina Försch in gut gekünstelter Hysterie die jüngere Schwester des Professors, mit dem naiv-romantischen Tick, ihr Gatte – der schwungvoll-elegante Lukas Redemann – müsse eine verruchte Vergangenheit haben. Und mittenmang am Wuseln und trotzdem die einzige Figur mit Überblick: Sandra Lava als gewieftes Dienstmädchen, das kein Blatt vor den Mund nimmt.
Die Dosierung stimmt also, die Mischung auch. Und als Theaterdirektor Striese zu seinem hymnischen Monolog auf die Bretter, die die Welt bedeuten, anhebt, spürt man als Zuschauer, wie sich auf den eigenen Armen langsam eine Gänsehaut ausbreitet. Das ist der Augenblick, an dem sogar die tirilierenden Schlossamseln den Schnabel halten.
Vorstellungen auf der Maßbacher Freilichtbühne bis 22. Juli. Infotelefon Tel. (0 97 35) 235.