Im Mittelalter zwängte man lästermäulige und aufmüpfige Zeitgenossen zur Abschreckung und Besserung in ein Bocksfell, das „Bockshorn“. Seit 15 Jahren nun betreiben Mathias Repiscus und Monika Wagner-Repiscus in Würzburg im Kulturspeicher ihr „Bockshorn“ – eine kabarettistische Besserungsanstalt für allzu brave, opportunistische Zeitgenossen. Und ein Spielplatz für bekannte und unbekanntere Narren. Dazu bittet das Bockshorn regelmäßig auch den Nachwuchs auf die Kabarettbühne: beim New Star Festival, das es seit 2005 gibt. Es geht dabei nicht um den komödiantischen Wettstreit. Sondern darum, den Unbekannten und Jungen eine Chance vor großem Publikum zu bieten. Weshalb das Mühe macht, erzählen die Bockshorn-Chefs im Gespräch.
Mathias Repiscus: Wahrscheinlich über Malmsheimer. Da kann man nur lachen. Jochen Malmsheimer ist literarisch, ein bisschen verschroben, manchmal ein bisschen dadamäßig, das finde ich toll.
Monika Wagner-Repiscus: Wen ich klasse finde: Heinrich del Core, der Mitte September bei uns war. Bislang hat er eigentlich nur in Baden-Württemberg seine Fans, da füllt er Hallen ab 500 aufwärts. Superwitzig! Ein italienischer Schwabe und Geschichtenerzähler – es ist so lustig, was er macht. Er war zum Beispiel auch schon beim New Star Festival dabei.
Repiscus: Er erzählt völlig hanebüchene Geschichten, die erlebt sind und zum Teil doch erfunden. Es gibt ein italienisches Sprichwort, das zu ihm gut passt: „Wenn es nicht wahr ist, ist es gut erfunden.“
Wagner-Repiscus: Matthias Egersdörfer war 2007 da, und der ist inzwischen ja sogar „Tatort“-bekannt.
Repiscus: 2008: Tobias Mann, ein Superjunge. Der hat inzwischen mit Christoph Sieber, der auch hier beim Festival war, eine Sendung im Fernsehen. Oder 2010: Max Uthoff, jetzt ebenfalls im Fernsehen. Und Ulan und Bator, jetzt im Ensemble der Lach und Schieß.
Wagner-Repiscus: Noch ein einst ganz Unbekannter: Hannes Ringlstetter im Jahr 2009.
Repiscus: Beim New Star Festival stellen sich die Leute zum ersten Mal vor und haben ihren ersten Auftritt im Bockshorn. Und zu sehen, wie sie dann Karriere machen, das ist schon schön und höchst erfreulich. Man sieht die Entwicklung – vom völlig Unbekannten bis zum Kabarett-Star.
Repiscus: Das ist schwierig, und die Auswahl bereitet viel Arbeit. Es kommen natürlich viele Infos ins Haus geflattert, und die Agenturen schicken Demomaterial. Der sei spitze, der sei toll, das müsse man unbedingt sehen. Aber dann schaut man sich die Formate auf YouTube an und denkt: Was soll das? Eine halbe Stunde, Dreiviertelstunde kann jeder mal so bespielen. Aber ein ganzes Abendprogramm präsentieren? Das ist etwas anderes, und darauf kommt es an. Man muss eben ein bisschen Geduld haben mit den Leuten.
Repiscus: Da sitzen sicher manchmal Zuschauer im Publikum beim New Star Festival und denken: Na ja, das ist jetzt nicht so toll. Aber auch die Priols und Pelzigs haben irgendwann angefangen. Bei denen waren die ersten Programme auch nicht das Nonplusultra.
Repiscus: Die Talente holen, das war schon immer unser Ansatz und unsere Idee. Man muss es so sehen: Hildebrandt ist gestorben, Schramm ist zurückgetreten, Pispers hört auf. Die fehlen im Kabarett! Was ist, wenn man nicht für Nachwuchs sorgt? Was ist dann? Der Förderprozess muss sein. Und man muss wirklich sagen: Die jungen Leute, die zum Festival kommen, sind hochbegeistert. Warum? Einerseits bekommen sie vertraglich zugesagt, dass sie in der nächsten Spielzeit einen ganzen Abend liefern dürfen. Und zweitens sind sie glücklich, dass es kein Ranking gibt, dass sie sich hier einfach präsentieren können und nicht gegeneinander auftreten müssen.
Repiscus: Wir wissen ja: Es gibt schlechtes Kabarett und gute Comedy. Es ist schwer geworden, das zu trennen. Kabarett will sicher noch immer Einfluss nehmen, politisch, gesellschaftlich. Kabarett ist dazu da, Dinge inmitten der großen Verwirrung zu sortieren. Aber mit den Comedians und der Verbreitung im Fernsehen hat sich tendenziell auch das Kabarett verändert. Wenn es nicht in Teilen unterhaltend ist, kann man es heute nicht mehr unter die Leute bringen. Nur: Das Fernsehen flacht ein Programm ab. Auch, weil von der Redaktion zensiert, weil Schärfe geschnitten wird.
Repiscus: Vergleichen Sie einfach mal. Viele Kabarettisten sind im Fernsehen um einiges seichter als live auf der Bühne. Man will nicht sehr in die Tiefe dringen, da geht viel verloren. Pures Entertainment. Auch ein Günther Grünwald macht auf der Bühne etwas ganz anderes als im Fernsehen. Was Comedy betrifft: Ein Witz muss halt auch bei Comedy dabei sein. Und zwar ein guter Witz. Nicht flach, sondern mit Geist. Wenn ich hinterher aus dem Theater gehe, möchte ich mich nicht dafür schämen müssen, worüber ich gelacht habe. Nur blöd ablachen geht nicht.
Wagner-Repiscus: Langweilen? Eigentlich nie. Ich schaue nach 30 Jahren immer noch unbefangen wie das Publikum.
Repiscus: Bei mir geht es schnell. Weil ich ein ungeduldiger Mensch bin. Und weil ich heimlich Regie führe, wenn ich zuschaue. Dann denke ich schon: Kürzen, Junge! Kürzen! Lass das einfach weg.
Repiscus: Gerhard Polt. Er war zwar mal da, aber das ist lange her.
Wagner-Repiscus: Oh, wir hatten ja eine fulminante Eröffnung, mit mehr als 15 Kabarettisten auf der Bühne. Alle erste Garde!
Repiscus: Nuhr, Schramm, Priol, Kinseher, Butzko, Pachl – alle waren da.
Repiscus: Der Raum ist sehr gut! Weil die Einrichtung und Gestaltung so dunkel gehalten ist, fokussiert sich alles auf die Bühne, wie es sein soll. Es gibt keinen Plüsch, es gibt keinen Plunder. Nur haben wir viel zu wenige Räumlichkeiten, auch hinten und neben der Bühne. Aber das ist eine andere Geschichte.
Wagner-Repiscus: Die Künstler, die zum ersten Mal hier sind, verlieben sich sofort in unser Theater. Weil es kein langer Schlauch ist, sondern den quadratischen Grundriss hat.
Mathias Repiscus: Eine einzelne Empfehlung wäre ungerecht!
Das New Star Festival läuft von 2. bis 4. November, im Würzburger Bockshorn, jeweils um 20.15 Uhr. An jedem Abend gibt's zwei Künstler/Ensembles zu sehen: Am Mittwoch Franziska Wanninger und Christoph & Lollo, am Donnerstag Beier & Hang und dann Olaf Bossi, am Freitag Moritz Neumeier und Lisa Catena.
Karten und Infos: Tel. (09 31) 460 60 66 www.bockshorn.de