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WÜRZBURG
Artus der Unsterbliche
Sagenhaft: Der britische Herrscher und seine Ritter der Tafelrunde beschäftigen seit mehr als tausend Jahren die Fantasie. Warum nur? Was ist dran an den alten Sagen? Sind es überhaupt Sagen?
Ralph Heringlehner
Ralph Heringlehner
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:53 Uhr

Das Schwert steckt fest. Hünen und Recken versuchen, den Stahl aus dem Stein zu zerren. Denn: Wer das schafft, wird König von Britannien. Doch alle Kraftmeierei ist vergeblich. Da kommt ein unbedarfter Junge daher und zieht die Waffe ganz nebenbei aus dem Fels . . .

Wir kennen die Szene. Wir wissen, dass der Mann Artus heißt und das Schwert, von Zauberer Merlin geschmiedet, Excalibur.

Wir kennen die Szene? Obwohl die Figur des König Artus im Prinzip über 1000 Jahre alt ist? Obwohl die Welt seinerzeit anders ausgesehen hat als unsere, anderen Denkmustern folgte, andere Formen des Erzählens, andere Vorstellungen von einem Helden hatte? Was hat dieser britische König, das ihn über die Jahrhunderte hinweg attraktiv macht und seine Geschichte zeitlos spannend?

Es scheint, als wohne der Sage eine geheimnisvolle Kraft inne. Doch: Ist es überhaupt eine Sage?

Der Königsmacher

„Zwei Möglichkeiten werden diskutiert“, erklärt Brigitte Burrichter. „Entweder wurde Erfundenes an eine historische Figur angedockt, oder Historisches an eine erfundene Figur.“ Die Würzburger Romanistik-Professorin, die den Kongress der internationalen Artus-Gesellschaft organisiert (siehe Kasten), neigt dazu, Artus als erzählerische Verschmelzung zweier Personen zu sehen, die womöglich tatsächlich gelebt haben: Eine ist ein Heerführer der Briten aus dem sechsten Jahrhundert, im späten neunten Jahrhundert taucht in Berichten ein Artus auf, der dann wohl mit dem alten Heerführer gleichgesetzt wurde.

Diese Figur wird in der Erzähltradition ausgebaut. „Zum König wird Artus in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts“, so Burrichter. Geoffrey von Monmouth macht Artus in seiner „Historia Regum Britanniae“ zum König und starken Herrscher. Damit leitet der spätere Bischof von St. Asaph in Wales die Geburt einer Legende ein. Seine Geschichte wird aus dem Lateinischen in die Volkssprache übersetzt, weitererzählt, weitergeschrieben – und mit immer neuen Elementen versehen. Camelot wird erfunden – man kann das Schloss bis heute nicht verorten – und die Runde Tafel, an der der König die besten Ritter des Landes versammelt. Hier sitzt der Herrscher als Gleicher unter Gleichen, als Held unter Helden.

Abenteuergeschichten

Die bekanntesten Ritter der Tafelrunde sind Lanzelot, Gawain, Iwein, Galahad, Parzival und der exemplarische böse Bube Keie. Die verschiedenen Charaktere regen zu immer neuen Abenteuergeschichten an.

Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Besonders in Frankreich treibt das Ritterepos Blüten. In Deutschland sorgt Hartmann von Aue mit „Erec“ und „Iwein“, Übertragungen der Epen des Franzosen Chrétien de Troyes, für Verbreitung der Artus-Geschichten. Bei Chrétien taucht der Heilige Gral zum ersten Mal auf. Die Legende wuchert. Wolfram von Eschenbach („Parzival“) spinnt das Garn weiter.

Dann werden Artus-Romane gedruckt und finden neues, breiteres Publikum, Chrétien dichtete vorwiegend für den Adel. Im 19. Jahrhundert entdecken die mittelalterbegeisterten Romantiker die Artus-Welt neu. Die ist nun völlig fiktiv, denn anders als zu Zeiten von Chrétien und Hartmann gibt es in der Wirklichkeit längst keine Ritter mehr. In den 1980er Jahren landet Marion Zimmer-Bradley mit ihrem Roman „Die Nebel von Avalon“ einen Hit. Sie erzählt die Artus-Geschichte aus der Sicht von Morgaine der Fee. Hollywood verfilmt den Stoff bereits in den 1950er Jahren.

Jüngstes Beispiel für das scheinbar ewige Leben der Tafelrunden-Mannen ist der Film „King Arthur – Legend of the Sword“, der im Mai dieses Jahres weltweit in die Kinos kam.

Doch warum ist Artus solch ein Allzeit-Hit?

„Sie können in der Geschichte Druiden unterbringen und Zauberer“, sagt Professor Burrichter. Geheimnisvolles fasziniere immer. „Die fantastischen Elemente wurden immer weiter ausgebaut und auch für Liebesgeschichten ist Raum.“ Zudem passt sich der Stoff dem jeweiligen Zeitgeschmack an und dem Medium, das ihn transportiert: Dichterkomponist Wagner bedient im 19. Jahrhundert mit „Lohengrin“ und „Parsifal“, die locker mit der Artus-Welt verbunden sind, das Bedürfnis nach satten musikalischen Farben und mysteriösen Geschehnissen. Autorin Zimmer-Bradley landet zielgenau auf dem Höhepunkt der Fantasy-Welle. „Die Figur des Artus hat sich über die Jahrhunderte gewandelt. Im Mittelalter hat er vor allem Hof gehalten. Im Hollywoodfilm ist er ein Actionheld“, so Brigitte Burrichter.

Auch wenn König Artus nicht wirklich historisch ist, hat er doch die Geschichte der wirklichen Welt beeinflusst. Starke Legenden haben die Macht dazu. So wurde er vom Christentum vereinnahmt und auch immer wieder politisch instrumentalisiert: Bis zum „Hundertjährigen Krieg“ (1337 bis 1453) habe England seinen Anspruch auf Frankreich mit König Artus begründet, weiß die Würzburger Professorin.

Kein Zweifel: Artus lebt. Irgendwie. Und nicht nur im sagenhaften Avalon.

Artus-Kongress

Würzburg ist derzeit Tagungsort der Internationalen Artusgesellschaft. Seit Wochenbeginn diskutieren rund 250 Fachleute im Burkardushaus Themen rund um den sagenhaften (?) britischen König. Organisiert wurde der 25. Kongress der Artus-Forscher vom Lehrstuhl für Französische und Italienische Literaturwissenschaften der Universität Würzburg.

Mittelalterliche Literatur ist eines der Themenfelder. Es geht aber auch um die Frage, wie der Artus-Stoff in modernen Medien wie Film, TV-Serien und Computerspielen dargestellt wird. Am Samstag ziehen die Kongressteilnehmer zu Exkursionen aus.

 
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