In der DDR war Armin Mueller-Stahl ein Publikumsliebling, in der Bundesrepublik wurde er als großer Schauspieler gefeiert, Hollywood machte ihn zum Star. Es ist eine der ungewöhnlichsten Schauspielerkarrieren nach 1945. Jetzt wird Armin Mueller-Stahl 85 Jahre alt.
Geboren am 17. Dezember 1930 in Tilsit, dem heutigen russischen Sowetsk, aufgewachsen in Königsberg, kam er in die DDR und machte zuerst eine Ausbildung zum Konzertgeiger und Musiklehrer. Doch die Neigung zum Theater setzte sich durch, er begann ein Schauspielstudium und stand 1952 im Berliner Ensemble erstmals auf der Bühne. Bis zu seiner Übersiedelung 1980 nach Westberlin – er hatte 1976 gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann protestiert und wurde daraufhin kaltgestellt – war er der meistbeschäftigte und populärste Film- und Fernsehschauspieler der DDR.
Sein Repertoire reichte von ernsten Rollen bis zum Musik-Clown. Er spielte auch in Filmen wie „. . . und deine Liebe auch“ (1962), einer schön inszenierten Liebesgeschichte von Frank Vogel, in der der Bau der Mauer 1961 verteidigt wurde. 2014 sagte Mueller-Stahl der Wochenzeitung „Die Zeit“, bei all seiner Distanz zur DDR habe er gehofft, dass die Mauer dazu beitragen könne, „ungestört den Sozialismus aufzubauen“. Als er in die Bundesrepublik kam, war er durch Anti-Nazi-Filme wie „Nackt unter Wölfen (1963) oder „Jakob der Lügner“ (1975) im Westen schon bekannt.
In eine fremde Gesellschaft
Die ersten Rollen in Westdeutschland waren ihm geradezu auf den Leib geschrieben: Männer, die in eine fremde Gesellschaft kommen und ihre Unsicherheit hinter einer Folie von Melancholie verbergen. In Fassbinders „Lola“ (1981) stellte er einen Bauingenieur in der westdeutschen Provinz der 50er Jahre dar, der aus dem Osten stammt und sich den schmutzigen Geschäftspraktiken der Branche zunächst widersetzt. In Schillings „Der Westen leuchtet“ (ebenfalls 1981) war er ein Ostagent in der Bundesrepublik, der langsam die Spielregeln der westlichen Gesellschaft lernt.
Mueller-Stahl spielte auch in internationalen Großproduktionen von Istvan Szabo („Oberst Redl“) oder Bernhard Wicki („Das Spinnennetz“).
So war es fast folgerichtig, dass ihn Ende der 80er Jahre ein Angebot nach Hollywood rief. Dadurch bekam seine Karriere noch einmal einen neuen Kick. Auch dort waren die ersten Rollen ganz auf ihn zugeschnitten, auf Fremde, auf Auswanderer aus Europa. In Costa-Gavras' „Music Box“ (1989) spielte er einen alten ungarischen Nazi, der lange unbehelligt in den USA lebte, in „Avalon“ (1990) einen polnischen Juden, der 1914 in die USA eingewandert ist.
Das komische Gegenstück dazu war sein New Yorker Taxifahrer in Jim Jarmuschs „Night on Earth“ (1991), eine der schönsten unter seinen weit über 100 Rollen: Er spricht kaum Englisch und kann eigentlich auch nicht Auto fahren. Seit 1973 ist er mit der Hautärztin Gabriele Scholz verheiratet, 1974 kam Sohn Christian zur Welt. Mueller-Stahl lebt meist bei Los Angeles in Kalifornien, hat aber seit vielen Jahren auch ein Haus im ostholsteinischen Sierksdorf. In den vergangenen Jahren ist die Schauspielerei etwas zurückgetreten gegenüber seinen anderen künstlerischen Interessen.
Er zeichnet und malt, stellt aktuell auch aus: „Die Malerei macht mich frei.“ Und er schreibt Erzählungen, Romane, Tagebücher. Mueller-Stahl sieht sich als Handwerker, der seine gestalterischen Mittel genau analysiert. Seine Figuren legt er ambivalent an, der Zuschauer soll selbst seine Schlüsse ziehen. Gefühle zeigt er meist nur indirekt. Diese Gestaltungsmittel hat er in seiner großen Altersrolle als Thomas Mann im TV-Dreiteiler „Die Manns – Ein Jahrhundertroman“ (2001 in der ARD) eindrucksvoll bewiesen.
In Deutschland hat er auch 1996 seinen einzigen Film als Regisseur und zugleich Hauptdarsteller gedreht, „Gespräch mit dem Biest“. Es geht um einen Mann, der 103 Jahre alt sein soll und vielleicht Adolf Hitler ist. Der Film war kein Erfolg, aber für ihn wichtig als verzweifelter Versuch, „den Kerl endlich loszuwerden“.
Einen Abschied ganz anderer Art feierte er vor einigen Jahren mit der CD „Es gibt Tage . . .“. Sie enthielt Songs, die er in der DDR geschrieben und auch vorgetragen hatte, poetische, skurrile und satirische Lieder. Er sang sie nun, Jahrzehnte später, noch immer mit spürbarem Vergnügen – ein Abschiedgruß an die DDR.