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HAMBURG
Amos Oz sorgt für Beklemmung
dpa
 |  aktualisiert: 24.03.2015 16:39 Uhr

Amos Oz macht es seinen Lesern nicht leicht. Er nimmt sich Zeit, um die Distanz zu seinen merkwürdigen, nie ganz durchschaubaren Charakteren zu verkleinern, Zeit, um sich in endlosen Dialogen mit der Geschichte der Juden, Israels und des ewigen Nahost-Konflikts auseinanderzusetzen. Erneut hat Israels berühmtester Autor mit „Judas“ einen Roman über sein Land geschrieben, aber auch über Einsamkeit, Verrat, Liebe und darüber, was die ungewöhnliche Geschichte Israels und der Juden aus den Menschen machen kann.

Der 25-jährige Schmuel Asch ist „empfindsam, ein Sozialist und Asthmatiker, schnell zu begeistern und leicht zu enttäuschen“, der Hals ebenso zu kurz wie die Finger, mit einem seltsamen Gang, krausen Haaren und einem Neandertaler-Bart. Die Freundin heiratet einen anderen, die Eltern melden Konkurs an, finanzielle Unterstützung bleibt aus.

Schmuel schmeißt sein Studium und nimmt einen seltsamen Job an: Für Kost, Logis, ein kleines Taschengeld und unter absoluter Geheimhaltung soll er dem alten Gerschom Wald täglich sechs Stunden Gesellschaft leisten, ihm zuhören, den abendlichen Brei, Tee und seine Medikamente bringen. Ein idealer Job, um vor dem Leben davonzulaufen.

In dem baufälligen Haus wohnt auch Atalja, eine 45 Jahre alte, geheimnisvolle Frau, die die Gattin von Walds Sohn war. Der war im ersten Jahr ihrer Ehe und am zweiten Tag des arabisch-israelischen Unabhängigkeitskrieges gefallen. Seitdem lebt sie mit ihrem behinderten Schwiegervater in dem dunklen Haus.

Atalja ist auch die Tochter von Schealtiel Abrabanel, der – Gegner der israelischen Staatsgründer und damit Widersacher Ben Gerions und Freund der Araber – als Verräter der Zionisten geächtet wurde. Oz (75) schafft Bezüge aus der Vergangenheit zur Gegenwart. In „Judas“ ist der Winter 1959/60 die Gegenwart, sie könnte es aber auch heute sein.

Es geht auch um Judas Ischariot, jenen Jünger, der im christlichen Weltbild als Verräter von Jesus gilt. „Jesus in der Perspektive der Juden“ lautet denn auch das Thema von Schmuels „in Stich gelassener“ Magisterarbeit. War Judas tatsächlich ein Verräter, oder glaubte er schlicht an Jesus als Prophet? Ist Jesus nicht als Jude geboren und als Jude gestorben und die Menschen haben aus ihm einen Erlöser und Initiator des Christentums gemacht? Für Oz kann ein Verräter auch einfach nur einer sein, der den Mut hat, sich zu verändern, der andere Ideen zulässt.

Oz mutet seinen Lesern mit dem Buch, das gespickt ist mit literarischen, historischen und politischen Verweisen, einiges zu. Wer sich aber darauf einlässt, wird von der beklemmenden Geschichte und der großen Erzählkunst in Bann gezogen werden.

Amos Oz: Judas (Suhrkamp, 335 Seiten, 22,99 Euro)

 
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