Eine Uraufführung ist etwas Besonders, vor allem für den Komponisten. Gediminas Gelgotas war deshalb anwesend, als beim Kissinger Sommer erstmals sein Violinkonzert erklang. Gespielt wurde es vom Baltic Sea Philharmonic unter der Leitung von Kristjan Järvi; zum Solisten war der erst 22-jährige Schweizer David Nebel auserkoren.
Der Litauer Gelgotas entfaltet weite Flächen im groß besetzten Orchester, dicht gewebt aus engen Intervallen. Versetzte leichte Veränderungen im oft blockhaften, feinrhythmischen, auch statischen Geschehen erzielen zarte, mitunter auch dramatische Halleffekte. Darüber darf sich der Solist vorwiegend mit Sekundintervallen und deren Oktavversetzung beschäftigen.
Plakatives Farbenbad und schlichtes Idyll
David Nebel tut dies mit ungeheurer Intensität, widmet sich dem Einzelton, dem Zweiklang mit gewaltiger Ausdruckskraft und Präsenz. Kleine Umspielungen, virtuose Girlanden, immer wieder Rückkehr und Ruhen im Zentrum: Nebel, sehr reif musizierend, schafft gestalterische Einheiten, ergeht sich in Waldvogel-ähnlichem Tirilieren: Als hätte der Komponist die Natur, das Wasser, belauscht, so wirkt nicht nur die zweite Kadenz. Der starke Applaus galt vor allem den beiden zentralen Gestalten: Nebel und Gelgotas.
Dirigent Kristjan Järvi weiß sich wirkungsvoll in Szene zu setzen. In seiner extrovertiert darstellerischen Ausdrucksfreude erinnert er an Leonard Bernstein – dieser jedoch sprang höher. Das Geländer am Dirigentenpodium machte jedenfalls Sinn. Mit der Sonnenaufgangsstimmung „Aurora“ präsentierte er sich als Komponist: Den Max-Littmann-Saal tauchte er in ein plakatives Farbenbad, bevor er ein streckenweise etwas schlichtes Naturidyll mischte.
Vorzügliches Orchester aus Ostsee-Anrainerstaaten
Das von Thomas Hummel ins Leben gerufene Orchester, junge, herausragende Musiker aus zehn Ostsee-Anrainerstaaten, kann nur als vorzüglich bezeichnet werden. Kompakt und geschlossen auftretend, wuchtig auftrumpfend, graziös und filigran, warm schimmernd im Gesamtklang, wird hier mit Hingabe, Konzentration und Leidenschaft, selbstverständlich mit großem Können musiziert.
Zugute kam dies Peter Tschaikowskys „Dornröschen-Konzert-Suite“, in einer allerdings episch breiten Fassung von Kristjan Järvi. Tänzerisch, flink und geschmeidig, emotional und charaktervoll, passgenau im Wechselspiel der Einwürfe, erstand die Musik in ihrem gesamten Glanz, in ihrer kontrastierenden Vielfalt, in ihrer farbreichen Instrumentierungskunst.
Frenetischer Beifall, Ekstase bei der cineastisch überwältigenden Zugabe, auf der Bühne das tanzende Orchester – ein Erlebnis!