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WÜRZBURG
Alfons und die deutsche Befindlichkeit
Hans-Jürgen Grellmann
 |  aktualisiert: 08.01.2016 17:49 Uhr

Alfons muss es ja wissen! Der Franzose mit dem bürgerlichen Namen Emmanuel Peterfalvi, der seit 1991 in Hamburg lebt, macht sich schon so lange auf liebenswürdige Art und Weise über seine Landsleute und die Deutschen lustig. Jetzt wird er sogar vom Zweiten Deutschen Fernsehen als Gegenpol zu dem Aschaffenburger Wirbelwind Urban Priol in „Ein Fall fürs All“ geadelt. Zuvor war er als Reporter mit dem Puschelmikrofon und diesen absurden Fragen durch die Dritten Programme geeilt. Es ist also kein Wunder, dass das Würzburger Bockshorn ausverkauft ist.

Alfons findet sofort Kontakt zum Publikum, als er in präzisem Deutsch mit nasalem Akzent in allerlei Wortspielereien die Franzosen im Publikum aufs Korn nimmt. Dann aber geht’s über die Deutschen her, bei denen alles so perfekt ist und von Vorschriften geregelt. Molotowcocktails wie in dem Pariser Vorort Argenteuil, wo Alfons 1967 geboren wurde und wo ab und zu die Autos brennen, gebe es hier nicht wegen des Flaschenpfandes, witzelt er, und so geht es munter weiter: Warnstreiks von drei Stunden gelten jenseits des Rheins als Mittagspause. Verkehrszeichen sind für die Deutschen verbindlich, in Frankreich Vorschläge. An den Ampeln bleiben die Deutschen bei Rot auch dann stehen, wenn es nachts regnet und weit und breit kein Auto da ist. Sie könnten ja ein schlechtes Beispiel für „nicht gemachte“ Kinder geben.

Angela Merkel mit Motorroller

Daraus zieht Alfons den Schluss, dass die DDR gar keine Mauer hätte bauen müssen. Ein paar rote Ampeln hätten gereicht. Während in seiner Heimat die Eskapaden von Regierungschef Hollande mit einem Augenzwinkern ertragen werden, wäre in Berlin ein Riesenskandal daraus gemacht worden, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einem Motorroller nachts zu ihrem Geliebten gefahren wäre.

So geht das bis zur Pause, vor der Alfons die Sankt Petersburger Musikerin Nathalie vorstellt, die ihn mit einem Musette-Walzer auf dem Akkordeon begrüßt und dann den zweiten, ziemlich nachdenklichen Teil auf dem Klavier begleitet.

Hier erzählt Alfons, auch mit den bekannten Film-Schnipseln, die eigentlich traurige Geschichte des 90-jährigen Rentners Heinz, der liebevoll seine behinderte Frau im Altersheim umsorgt und als letzten Wunsch noch einmal seine alte Schule in Berlin sehen will. Da hatte er 1922 nur eine ganz kleine Schultüte bekommen, die mit Papier gefüllt war. Seine Eltern hatten kein Geld damals. Alfons erfüllt ihm seinen Wunsch, und in der Hauptstadt bekommt der alte Mann endlich von der Schulleiterin eine ganz große Tüte. Es ist das letzte Bild von Rentner Heinz.

Nach zweieinhalb Stunden großer Beifall.

 
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