Im Jahr 1966 versuchte Alain Delon gerade, sich in Amerika eine Karriere aufzubauen, als ihm der französische Starregisseur Jean-Pierre Melville die Rolle des Auftragskillers Jef Costello in seinem Film „Le Samourai“ anbot. Delon hatte zu dieser Zeit eigentlich kein Interesse an der heimischen Kinoszene, zeigte sich aber fasziniert von der stoischen Ruhe und Wortkargheit der Figur und sagte spontan zu.
Der Mythos des „eiskalten Engels“ – so der deutsche Titel des Streifens – war geboren. Er wurde zu einer Art Synonym für Darstellungsweise und Persönlichkeit Alain Delons: ein unterkühlter Profi, der seinen Gegnern ungerührt den Garaus macht und durchaus damit rechnet, selbst in die Hölle zu kommen. Neben Jean-Paul Belmondo, Brigitte Bardot und Gérard Dépardieu zählt Delon zu den noch lebenden Superstars des französischen Kinos.
Alain Delon wurde am 8. November 1935 in Sceaux bei Paris geboren. Er durchlitt das Schicksal so manches Scheidungskindes: Pflegefamilie, Schulwechsel, Internat. Bereits mit 17 Jahren geht der als schwer erziehbar geltende Delon zur französischen Kolonialarmee und wird als Fallschirmspringer nach Indochina (Vietnam) versetzt. Zurück in Frankreich, nimmt er Schauspielunterricht, den er sich mit verschiedenen Jobs finanziert, unter anderem als Arbeiter im Pariser Gemüsegroßmarkt.
1956 wird der ausnehmend gut aussehende Anfänger bei den Filmfestspielen in Cannes entdeckt. Bereits ein Jahr später kann er sein Talent auf der Leinwand unter Beweis stellen – als gedungener Mörder in „Die Killer lassen bitten“. Sein erfolgreiches Debüt toppt Delon 1960 mit seinem ersten internationalen Erfolg – als smarter, aber skrupelloser Krimineller Tom Ripley in „Nur die Sonne war Zeuge“.
In diesem Klassiker des Thrillergenres nach einem Roman von Patricia Highsmith hat seine damalige Verlobte, Romy Schneider, eine Nebenrolle; Delon hatte die deutsche Schauspielerin 1958 bei Dreharbeiten zu „Christine“, einer Adaption des Arthur-Schnitzler-Schauspiels „Liebelei“, kennengelernt.
Die Titelrolle in Luchino Viscontis Sozialdrama „Rocco und seine Brüder“ macht Delon noch im selben Jahr endgültig zum Superstar – und zu einem der zentralen Akteure des Film Noir der 1960er-Jahre, dem er auch im Krimi „Lautlos wie die Nacht“ neben Jean Gabin zum Erfolg verhilft. Wortkarg und undurchdringlich, verletzlich und doch unantastbar männlich wird Delon zum Schwarm einer ganzen Generation begeisterter Kinogängerinnen. Seine Beteiligung an Viscontis legendärem Italien-Epos „Der Leopard“ an der Seite von Burt Lancaster und Claudia Cardinale bringt dem 28-Jährigen 1963 eine Nominierung für den Golden Globe Award als Bester Nachwuchsdarsteller ein.
Delon fühlt sich daraufhin ermutigt, einen Flirt mit Hollywood zu wagen, bleibt in den USA aber glücklos. Noch im selben Jahr trennt sich das Paar Schneider/Delon nach vier ziemlich skandalträchtigen Jahren und einer verzehrenden Amour fou. Romy Schneider später über Alain Delon: „Er hat mich zur Frau geformt. Vor ihm war nichts.“ Delon über Delon: „Ich wünsche mir, so geliebt zu werden, wie ich mich selbst liebe.“ Aus den USA zurück, dreht er mit dem Kriegsdrama „Die Hölle von Algier“ 1964 den ersten einer Reihe von Filmen, die er – in der Folge auch mit eigenen Produktionsgesellschaften – selbst produziert.
Doch wie sein Hollywood-Debüt „Der gelbe Rolls-Royce“ und der Mantel-und-Degen-Streifen „Die schwarze Tulpe“ floppt er an den Kinokassen. Erst das actiongesättigte Roadmovie „Die Abenteurer“ und besonders „Der eiskalte Engel“ katapultieren Alain Delon 1967 zurück in den Erfolgsmodus.
Im Jahr darauf holt die Realität den Darsteller zwielichtiger und mit krimineller Energie ausgestatteter Charaktere mit aller Macht ein: Delons Freund und Leibwächter wird ermordet in einem Müllsack aufgefunden; bis heute ist die Tat nicht aufgeklärt.
Man weist Delon im Lauf der Ermittlungen verzweigte Beziehungen zur Unterwelt nach, in die auch seine damalige Ehefrau Nathalie verwickelt gewesen sein soll. Zudem soll er zusammen mit hochrangigen Politikern Waffengeschäfte getätigt haben, was der Beschuldigte in Teilen auch einräumt. Die Vorwürfe hindern Delon jedoch nicht daran, weiter erfolgreich Filme zu drehen. 1968 trifft er in dem Erotik-Drama „Der Swimmingpool“ wieder mit Romy Schneider zusammen; 1969 produziert er mit „Der Clan der Sizilianer“ und „Borsalino“ zwei seiner besten Filme – er spielt darin an der Seite so charismatischer Kollegen wie Jean-Paul Belmondo, Jean Gabin und Lino Ventura.
Als Ex-Sträfling und Juwelenräuber ist er 1970 in Jean-Pierre Melvilles Kriminalepos „Vier im roten Kreis“ zu sehen; der Spionagefilm „Scorpio“, das Psychodrama „Die Löwin und ihr Jäger“ mit Simone Signoret und der Politkrimi „Der Fall Serrano“ folgen. 1976 spielt Delon einen ins Visier der Nazis geratenen elsässischen Kunsthändler in Joseph Loseys anrührender Filmparabel „Monsieur Klein“ und erntet erneut fantastische Kritiken.
In den 1980er Jahren dreht Alain Delon hauptsächlich Actionfilme; aber auch anspruchsvolle Werke wie Volker Schlöndorffs „Eine Liebe von Swann“ nach Marcel Prousts Jahrhundertroman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ sind darunter. Für seinen Part des Tankwarts und Alkoholikers Robert in „Geschichte eines Lächelns“ erhält Delon 1985 erstmals den höchsten französischen Filmpreis, den César. Als Sänger feierte der Mime eher bescheidene Erfolge; sein Album „Comme au cinéma“ („Wie im Kino“) erscheint 1987. Zu seinen letzten Leinwand-Auftritten zählen die Komödie „Asterix bei den Olympischen Spielen“ von 2008 und die TV-Produktion „Un mari de trop!“ („Ein Gatte zu viel“).
1995 erhält der Schauspieler bei der Berlinale den Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk. Delon war zweimal verheiratet und hat drei Kinder; sein ältester Sohn Anthony wurde ebenfalls Schauspieler. Delon ist Träger des Preises der französischen Ehrenlegion und versteht sich explizit als Patriot und Gaullist – was die Sympathie für seinen „persönlichen Freund“, den rechtsextremen Politiker Jean-Marie Le Pen und dessen Tochter Marine, einschließt.
Im Juli 2013 sprach sich Delon, der in „Eine Liebe von Swann“ einst mit einer feinfühligen und differenzierten Darstellung des schwulen Barons de Charlus brillierte, in einem Interview mit der Zeitung „Le Figaro“ gegen das Adoptionsrecht für Homosexuelle aus, denn Homosexualität, so der Schauspieler, verstoße gegen die Natur . . .