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WIEN/WÜRZBURG
Adele Neuhauser: Der Spaß an „Tatort“-Bibi
Adele Neuhauser: Im Interview spricht die beliebte Schauspielerin über Castingshows und „Tatort“-Kult. Und erklärt, warum sie kein Geheimnis aus den psychischen Problemen macht, die sie als Jugendliche hatte.
Tatort: Sternschnuppe       -  Mit Harald Krassnitzer im „Tatort: Sternschnuppe“.
Foto: ARD DEGETO, ORF, Petro Domenigg | Mit Harald Krassnitzer im „Tatort: Sternschnuppe“.
Ralph Heringlehner
Ralph Heringlehner
 |  aktualisiert: 03.12.2019 08:55 Uhr

Seit 2011 verkörpert Adele Neuhauser die Fahnderin Bibi Fellner im „Tatort“. Am 7. Februar löst sie an der Seite von Harald Krassnitzer alias Moritz Eisner den nächsten Fall.

Frage: Ihr nächster „Tatort“-Fall heißt „Sternschnuppe“. Es geht um eine Castingshow. Was halten Sie von diesem TV-Format?

Adele Neuhauser: Nicht sehr viel, weil ich finde, da wird auf sehr zynische Art und Weise mit Sehnsüchten junger Menschen und Talente umgegangen. Sie werden einem sehr breiten Publikum vorgeführt, von dem ein Gros eigentlich nur drauf wartet, dass ein Fehler passiert. Dann werden die jungen Leute alleine gelassen mit diesen Erfahrungen. Viele sind danach psychisch schwer geschädigt.

Und die, die da gewinnen, halten sich so gut wie nie oben. Die stürzen dann aus großer Höhe ab . . .

Neuhauser: Das ist genau das Problem. Man braucht als Künstler Stabilität, man muss in seinem Stil wachsen, das heißt, erst mal muss man ihn finden. Man muss sich ausprobieren in geschützteren Werkstätten. Man darf gewisse Etappen einfach nicht überspringen. Tut man's, führt das zu seelischen Verwundungen.

Sie spielen an der Seite von Harald Krassnitzer als Moritz Eisner die Bibi Fellner. Die ist schon speziell . . .

Neuhauser (lachend): Ja, Gott sei Dank!

Sie hat psychische Probleme und einen Hang zum Alkohol. Sind es vielleicht gerade diese Unzulänglichkeiten, die sie zur Sympathieträgerin machen?

Neuhauser: Ja sicher, für mich auf alle Fälle. Es ist natürlich spannender, einen nicht so stabilen Menschen zu spielen, der auch unter seiner Instabilität leidet. Das ist für mich auch ein realistischerer und sympathischerer Charakter.

Eine schauspielerische Herausforderung?

Neuhauser: Schon. Da ist was zu tun (lacht).

Es ist sicher nicht einfach, die Balance zu finden zwischen Ernsthaftigkeit und dem Witz, der ja auch zu Bibi Fellner gehört.

Neuhauser: Genau das macht die Qualität unseres österreichischen „Tatort“ und der Konstellation Eisner/Fellner aus. Wir sind – bei aller Tragik – doch auch humorvoll. Wir nehmen uns und die Situation auch gerne auf die Schippe. Das ist etwas, was die Zuschauer, an uns mögen, glaub' ich.

Wie nahe lassen Sie eine Figur an sich ran? Schlüpfen Sie richtig hinein?

Neuhauser: Ja, schon. Aber natürlich behalte ich die Zügel in der Hand. Die Figur darf nicht die Oberhand gewinnen, das ist wohl klar. Sonst könnt' ich sie auch nicht spielen. Ich habe keine Sorge, dass ich mich in Bibi Fellner verlieren könnte, oder in einer anderen Figur, die ich spiele. Ich erforsche eine Figur, das macht mir viel Spaß. Dann versuche ich, sie mit meinen eigenen Sichtweisen und mit meinem Temperament und mit meinem Humor umzusetzen.

Sie können die Bibi Fellner nach einem Drehtag einfach ablegen?

Neuhauser: Ja – wobei: In der Intensität, in der wir arbeiten, und durch die mittlerweile nur noch 21 Drehtage müssen wir doch auch sehr, sehr fix arbeiten. Da kommt man nicht wirklich dazu, die Figur abzulegen. Man geht mit ihr schlafen, steht auf – und ist schon wieder im nächsten Drehtag. Ich geh' da auch darauf ein und lasse mich voll von dieser Aufgabe erfüllen.

21 Drehtage – das klingt nicht nach sehr viel . . .

Neuhauser: Das ist auch nicht viel. Für einen Neunzigminüter ist das schon ein ziemliches Pensum. Und wenn wir dann noch schwierigere Momente haben – Nachtdrehs, Außendrehs, die vom Wetter abhängig sind oder vom Lärm – kommen wir manchmal ziemlich unter Druck.

Schauen Sie sich eigentlich die anderen „Tatort“-Teams an?

Neuhauser: Wenn ich kann, gern. Aber ich hab' zuletzt leider vieles nicht sehen können, weil ich beschäftigt war. Ich spiele auch noch Theater.

Sie spielen wieder Theater?

Neuhauser: Leider ist am 15. Februar die letzte Vorstellung. Aber es war schön, das hat gutgetan.

Was haben Sie denn gespielt – und an welchem Theater?

Neuhauser: „Fasching“ von Gerhard Fritsch am Wiener Volkstheater. Wir spielen eine eigens angefertigte Bühnenfassung des Romans.

Sie waren sehr lange weg vom Theater . . .

Neuhauser: Ich war lange weg vom Theater. Aber ich habe gemerkt, das ist a bisserl wie Radfahren. Man verlernt's nicht.

Zurück zum „Tatort“: Haben Sie unter dem Teams Favoriten?

Neuhauser: Ich mag die Münsteraner sehr gerne, ich mag Tukur gerne, ich mag Axel Milberg gerne. Das sind so meine Highlights, die ich anschau'.

Mir werden's langsam zu viele Teams. Wie sehen Sie's?

Neuhauser: Ja, man muss wirklich aufpassen. Es nimmt ein bisschen überhand.

Und die Teams, die ich mag, kommen nicht mehr so häufig dran.

Neuhauser: Ja, das ist schon immer ein Warten auf die Teams. Unsere Sendetermine sind auch ein bisschen eigenartig. Wir produzieren immer ein Jahr vorher. Im Frühjahr letzten Jahres haben wir zwei „Tatorte“ gedreht, von denen einer – eben „Sternschnuppe“ – erst jetzt, am 7. Februar, ausgestrahlt wird. Wann der zweite gezeigt wird, weiß ich nicht. Dieses Jahr drehen wir drei.

Ist der „Tatort“ in Österreich genauso Kult wie in Deutschland – mit diesen hohen Einschaltquoten?

Neuhauser: Ja, ja. Total. Mit enormen Einschaltquoten. Es freut uns schon sehr, dass wir so gute Quoten haben.

Vor allem in Boulevardzeitungen und in Bunten Blättern wurde über Probleme und mehrere Suizid-Versuche in Ihrer Kindheit und Jugend geschrieben. Stört es Sie nicht, wenn so etwas Persönliches in die Öffentlichkeit kommt?

Neuhauser: Naja, ich hätt's ja auch lassen können. Ich hätt' nicht davon erzählen müssen. Ich hab's freiwillig getan – und gern, weil wir in einer Gesellschaft leben, die zu zwei Dritteln unter Burnout und Depressionen leidet. Ich weiß aufgrund meiner Biografie, dass man aus diesen schwarzen Löchern wieder herauskommen kann. Ich wollte damit auch Leuten helfen und zeigen, dass es geht, dass das Leben lebenswert ist. Und dass man manchmal Hilfe braucht und diese auch annehmen sollte.

Sie gehen da also bewusst offensiv damit um?

Neuhauser: Ja. Weil ich finde, Tabuisieren von Schwächen und Ängsten macht die Ängste nur noch größer – unverhältnismäßig größer. Schwächen und Ängste sind kein Makel. Wir sind nicht uninteressanter oder schlechter deswegen.

Adele Neuhauser

Geboren am 17. Januar 1959 in Athen, übersiedelte Adele Neuhauser als Vierjährige nach Wien und wuchs beim griechischen Vater auf, nachdem die Mutter die Familie verlassen hatte. Als Kind litt sie an Depressionen und unternahm mehrere Suizidversuche. Ihre Karriere begann am Theater. Erfolge feierte sie in Regensburg als Mephisto. Daneben spielte die mehrfach ausgezeichnete Darstellerin in Film- und Fernsehproduktionen. Sie ist Mitglied der Akademie des Österreichischen Films.

Populär wurde sie als „Tatort“-Ermittlerin Bibi Fellner und in der Serie „Vier Frauen und ein Todesfall“.

 
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