Vorbemerkung: Dieser Artikel handelt von Geheimnisverrat. Und er wird nicht umhinkommen, selbst das eine oder andere Serien-Geheimnis zu verraten. Serien-Neulinge, Serien-Nachzügler und Serien-Trödler seien deshalb gewarnt: Es drohen Spoiler!
Kaum zu glauben, aber es gab einmal eine Zeit, in der das Fernsehen die Woche strukturierte. Zumindest für Serien- und Soap-Fans. Das buchstabierte sich dann so: „Montag, Dallas, Denver, Donnerstag. . .“ In den Achtzigern konnte es ein Teil der Fernsehnation Woche für Woche kaum erwarten zu erleben, welche Gemeinheit sich Fiesling J. R. Ewing und Biest Alexis diesmal einfallen lassen würden. Und bevor die neue Folge tatsächlich über den Bildschirm flimmerte, konnte niemand wissen, was passieren würde.
Früher waren Spoiler die Plastikbretter am Opel Manta
Denn es gab damals noch keine Spoiler. Das heißt, Spoiler gab es natürlich schon, man verstand darunter aber diese albernen Plastikbretter, die auf die Heckklappen vorzugsweise von Opel Mantas (auch die gab es damals noch) geschraubt wurden, um dem Gefährt eine irgendwie rennmäßige Anmutung zu verleihen.
Heute versteht man unter einem Spoiler etwas anderes. Ein Spoiler ist eine unerwünschte Information über den Fortgang einer Fernsehserie. Spoiler sind heute allgegenwärtig. Überall, wo Serien beworben oder besprochen werden, droht der Spoiler. Vor allem im Internet und da vor allem in den sozialen Netzwerken. Denn der Fan folgt gerne mal den Stars seiner Serien oder den Serien selbst. Ist er mit jeder Serie immer auf dem neuesten Stand, droht keine Gefahr, dann hält das Netz jede Menge lehrreicher und unterhaltsamer Zusatzinformationen bereit.
Ein einziges Bild kann schon zu viel verraten
Ist er es nicht, kann schon ein Bild, etwa des Ensembles von „Downton Abbey“, versammelt vor dem gleichnamigen Schloss, erheblichen Schaden anrichten. Denn der Zuschauer muss nur genau hinschauen, wer nicht auf dem Bild ist, und schon weiß er, wen noch vor Start der nächsten Staffel ein frühzeitiger Tod ereilen wird.
Das Problem: Es ist schier unmöglich, immer mit allem auf dem neuesten Stand zu sein. Dazu läuft einfach zu viel. Hinzu kommt, dass Serien auf den unterschiedlichsten Kanälen verfügbar sind. Im frei empfangbaren wie im Bezahlfernsehen. Auf DVD. Und vor allem in den Mediatheken und auf den Streaming-Portalen im Internet, von Amazon über Apple TV bis Netflix.
Niemand kann mit allem auf dem neuesten Stand sein
Das heißt, es gibt die unterschiedlichsten Stadien der Informiertheit. An einem Ende der Skala die Serienjunkies, die schon kurz nach der amerikanischen Erstausstrahlung einer Folge Bescheid wissen, am anderen die Trödler, die etwa die Staffeln 4 und 5 von „Breaking Bad“ noch eingeschweißt auf DVD im Regal stehen haben und einfach nicht dazu kommen, die Serie fertigzuschauen. Beide sind eher unangenehme Zeitgenossen, ersterer als tickende Spoiler-Zeitbombe, zweiterer als im Prinzip ungeeigneter Gesprächspartner für alles, was mit Serien zu tun hat.
Gnade Gott also der Person, die – absichtlich oder unabsichtlich – unerwünschte Informationen preisgibt. Ihr droht sofortige soziale Ächtung, umfassend und schlimmer noch als die Strafe für die Unglücksraben, die einst die Fußballergebnisse schon vor der „Sportschau“ ausplauderten.
Bei Gesprächen ist allergrößte Vorsicht geboten
Der Fallstricke sind viele, weswegen allerhöchste Vorsicht geboten ist. Daniel Haas brachte es in der „Zeit“ auf folgende pessimistische Formel: „Serien waren mal Spaß, jetzt sind sie wie Einzelhaft.“ Ganz so schlimm ist es vielleicht nicht, aber wer sich mit jemand über eine Serie unterhalten will, fragt deshalb grundsätzlich zuallererst: „Wie weit bist du denn?“ Kommt dann die Antwort „So gegen Ende der ersten Staffel“, drohen weitere Tretminen. Wer jetzt – um beim Beispiel „Downton Abbey“ zu bleiben – nachfragt „Und, hat es Matthew schon erwischt?“, der braucht sich nicht zu wundern, wenn ihm die eine oder andere Freundschaft aufgekündigt wird.
Natürlich will der Serienfan unbedingt wissen, wie es weitergeht. Aber er will es eben erleben, sozusagen Live am Fernseher. Die Sender spielen mit diesem Wissensdurst. Jede Folge und – stärker noch – jede Staffel endet mit einem mehr oder weniger unerträglichen Cliffhanger, also einer maximalen, vermeintlich ausweglosen Zuspitzung.
Jon Snows Tod war der bislang gemeinste Cliffhanger
Der möglicherweise gemeinste Cliffhanger der bisherigen Fernsehgeschichte war der Tod des ungemein beliebten Jon Snow in „Game of Thrones“ am Ende von Staffel 5. Nun ist Autor George R. R. Martin dafür bekannt, auch und gerade besonders beliebte Charaktere hinzumeucheln, man denke nur an Ned Stark, Robb Stark und Catelyn Stark (eine in der Tat schwer geprüfte Familie), aber Jon Snow, das ging dann doch zu weit.
Die Durststrecke zwischen Staffel 5 und Staffel 6 war denn auch für die Fans eine Zeit des Bangens und Hoffens. Als sich dann das Gerücht verbreitete, Kit Harington, Darsteller des Jon Snow, sei auf dem Weg nach Irland gesichtet worden, wo Dreharbeiten für Staffel 6 stattfanden, ging ein kollektives Aufschluchzen der Erleichterung durch die Gemeinde.
Tatsächlich, und dieser Spoiler muss jetzt einfach sein, erfreut sich Jon Snow seit Staffel 6 wieder bester Gesundheit. Staffel 7 startet voraussichtlich im Sommer. Wer auf Nummer sicher gehen will, meidet bis dahin das Thema „Game of Thrones“.