In Armenien wird Charles Aznavour fast schon wie ein Heiliger verehrt. Sogar ein Kulturhaus mit Museum wurde in der Hauptstadt Eriwan nach ihm benannt. An der Einweihung nahm damals auch Nicolas Sarkozy teil, Frankreichs Ex-Präsident. Denn Aznavour ist Franzose und Armenier. Seinen 90. Geburtstag am Donnerstag (22. Mai) feiert der Chansonnier und Schauspieler jedoch in Berlin (02-Arena) mit einem großen Konzert. Zwei Tage später ist er in Frankfurt (Festhalle) zu Gast.
Aznavour hat in seiner über 70-jährigen Karriere mehr als 700 Chansons komponiert, noch mehr selbst interpretiert und in rund 70 Filmen mitgewirkt. „Die Legende kehrt zurück“ heißt das Motto seiner Konzerte trefflich. Denn seine Tournee bringt ihn nach langen Jahren wieder nach Deutschland, wo er so manch großen Erfolg gefeiert hat. Einige seiner Chansons sang er auch auf Deutsch, darunter „Du lässt dich geh'n“. Die CD „Das Beste auf Deutsch“ erschien 2004. Dass er an seinem Geburtstag auf der Bühne steht, stört ihn wenig. Arbeit ist sein Leben und hält ihn jung. „Wer sich langweilt, altert schneller. Wer neugierig bleibt, sich weiterentwickelt, einer Beschäftigung nachgeht, die er liebt, das können Gärtnern, Kinderhüten oder Ins-Museum gehen sein, der wird nicht vergreisen“, sagte der Musiker in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“.
Aznavour ist so schlank wie eh und je; und wenn er „La Boheme“ oder „La Mamma“ singt, klingt seine Stimme so rau und fest wie einst. Ganz spurlos ist das Alter an dem nur 1,61 großen Künstler dennoch nicht vorübergegangen. Denn statt 200 bis 250 Konzerte jährlich, so wie früher, gäbe er jetzt nur noch 30, wie er vor wenigen Monaten dem „Stern“ erzählte. Der in Paris unter dem Namen Schahnur Waghinak Asnawurjan geborene Künstler hat sein ganzes Leben im Umfeld der Bühne verbracht. Als Knirps sang er im Restaurant seiner Flüchtlingseltern im Pariser Quartier Latin armenische Lieder, als Neunjähriger stand er erstmals auf der Bühne. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Aznavours Vater Mischa war, bevor er aus Armenien flüchtete, Bariton und seine Mutter Schauspielerin. Der Durchbruch gelang ihm als dith Piaf 1946 auf ihn aufmerksam wurde und mit ihm durch Frankreich und die Vereinigten Staaten tourte. Seine Lieder handeln von Liebe, Familie, Randgruppen und Armenien.
In seiner Jugend war Aznavour links eingestellt. „Eigentlich konnte man mich als Kommunisten bezeichnen, der verächtlich, vielleicht auch neidisch auf den Kapitalismus blickte“, gestand er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Später, als erfolgreicher Sänger und Schauspieler, habe er auf großem Fuß gelebt und einen Rolls Royce gefahren.
Die Luxuslimousine fährt er nicht mehr, auch lebt er nicht mehr in Saus und Braus. Er fahre nun ein energiesparendes Auto und sei sparsamer geworden, wie der mehrfache Vater der Sonntagszeitung sagte. Der Künstler ist in dritter Ehe mit einer Schwedin verheiratet und lebt in der Schweiz – nicht zuletzt, weil er mit Frankreich Steuerärger hatte.
Aznavour steht für das ein, was er singt. Für sein Engagement, vor allem für Armenien, wurde er 1993 vom Präsidenten der Kaukasusrepublik zum „Sonderbotschafter für humanitäre Aktionen“ ernannt, 1995 bestellte ihn die Unesco zum Sonderbotschafter für Armenien, seit 2009 ist er armenischer Botschafter in der Schweiz. Seinen Durchbruch als Schauspieler schaffte er im Jahr 1960 mit „Schießen Sie auf den Pianisten“ von François Truffaut. Mit der Oscar-prämierten Verfilmung „Die Blechtrommel“ von Volker Schlöndorff wurde er als Schauspieler auch in Deutschland bekannt. 2008 gab er seinen Abschied von der Leinwand bekannt. Den als Sänger hatte Aznavour schon öfters angekündigt. Abschiede, die jedoch keine waren.