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LONDON
70. Geburtstag: Who is Pete Townshend?
Das Original: The Who 1969 bei einem Fernsehauftritt mit (von links) John Entwistle, Keith Moon, Roger Daltrey und Pete Townshend (unten die Gitarre in typischer Windmühlenflügel-Manier bearbeitend).
Foto: Imago | Das Original: The Who 1969 bei einem Fernsehauftritt mit (von links) John Entwistle, Keith Moon, Roger Daltrey und Pete Townshend (unten die Gitarre in typischer Windmühlenflügel-Manier bearbeitend).
reda
 |  aktualisiert: 24.05.2022 09:38 Uhr

Auf die Luftsprünge verzichtet er mittlerweile, und auch seine Gitarren zerschmettert er nicht mehr an den Verstärkerwänden. Aber Pete Townshend, der am 19. Mai 70 wird, erklimmt noch immer die Bühne, lässt den Arm wie einen Windmühlenflügel rotieren und drischt auf die Saiten ein.

Seit einem halben Jahrhundert verkörpert der Gitarrist und kreative Kopf der legendären englischen Band The Who die Kunstfigur des wütenden und wilden Rockstars. Aber who is, auf Deutsch: wer ist, Pete Townshend wirklich? Das Fachblatt „Rolling Stone“ führt ihn auf Platz zehn der größten Gitarristen der Rockgeschichte. „Viele Menschen haben gar nicht realisiert, wie gut er eigentlich ist.“

Dass er das Rentenalter erreichen würde, geschweige denn als Rockmusiker, konnte sich der 1945 im Londoner Stadtteil Chiswick geborene Musiker einst nicht vorstellen. „Ich hoffe, ich sterbe, bevor ich alt werde“, lautet eine der berühmtesten Textzeilen der Rockgeschichte. Der gerade einmal 20-jährige, von Selbstzweifeln und Depressionen geplagte Townshend untermalte sie mit Gitarrengeschrammel und Verstärkerdröhnen.

Das war vor 50 Jahren: Der Song „My generation“ katapultierte Ende 1965 die im Vorjahr gegründeten The Who an die Spitze. Die Hymne, ein Schrei nach Freiheit, reflektierte das Lebensgefühl vieler junger Leute damals: die Perspektivlosigkeit einer frustrierten Jugend, die sich eingeengt fühlte von Autoritäten in Familie, in der Schule oder im Job.

Peter Dennis Blandford Townshend, Roger Daltrey (Gesang) sowie die mittlerweile gestorbenen Bandkollegen Keith Moon (Schlagzeug) und John Entwistle (Bass) waren anders als alles, was bis dahin in der Musikszene aufgekommen war: Die vier Londoner Schulkumpel waren arrogant und streitsüchtig – nicht nette Buben wie die Beatles, sondern Freaks, die auf den Putz hauten. „Mit Rock 'n' Roll wollten wir die Welt verbessern“, sagte Townshend. Den Sound dafür lieferte der aus einer Musikerfamilie stammende Gitarrist. Andere Bands wie die Kinks („You really got me“, 1964) hatten die Rockfans zwar schon zuvor mit harten Gitarrenklängen aufhorchen lassen. Doch erst Townshend setzte innovativ Verstärkerverzerrung, Rückkopplungen und donnernde Akkorde als Stilmittel ein. Viele Songs klangen härter und lauter – und sie ebneten den Weg für den Hardrock, den Heavyrock sowie den rohen Punkrock.

Musik als Lebensgefühl

Auch Britpop-Bands der 1990er berufen sich gern auf Townshend und The Who als Vorbilder. „Meine Bildung als Songschreiber erhielt ich, indem ich die Kinks und The Who und die Beatles anhörte“, erinnert sich Oasis-Gitarrist Noel Gallagher.

Stilbildend waren The Who nicht nur musikalisch. Bewusst inszenierten sie sich – aufgebaut von einem cleveren Management – als Popkünstler. Musik, Lebensstil und Mode sollten eine Einheit bilden. Townshend und seine Bandgenossen deckten sich in schicken Londoner Boutiquen mit ausgefallener Kleidung ein.

Oder sie schneiderten sich Jacken mit dem Union-Jack, der britischen Flagge, und dekorierten grellbunte T-Shirts mit Zielscheiben-Motiv. The Who entwarfen damit ihren eigenen Kleidungsstil – was sie zur Kultband der Mods werden ließ, einer modefixierten und Motorroller fahrenden Jugendbewegung. Den Geniestreich lieferte Townshend mit dem Konzeptalbum „Tommy“ (1969). Die Geschichte um einen misshandelten Jungen, der zum Helden am Flipperautomat wird, gilt als sein Meisterstück. Die Story wurde 1974 verfilmt, das Musical ist noch immer in Theatern weltweit zu sehen – zuletzt im Landestheater Linz in Österreich. Wie für viele andere Stars brachte das Woodstock-Festival 1969 in den USA auch für Townshend und seine Gruppe den internationalen Durchbruch. Das energiestrotzende, 1970 veröffentliche Album „Live at Leeds“ gilt bis heute als einer der besten Live-Mitschnitte überhaupt. Townshend zweites Rockmusical, „Quadrophenia“ (1973), floppte hingegen.

1983, fünf Jahre nach dem Tod des exzentrischen Schlagzeugers Moon, lösten sich The Who auf. Townshend war 1985 als Solokünstler mit dem pop-orientierten Album „White City“ kommerziell recht erfolgreich. 1999 formierten sich The Who neu und touren seither mit Unterbrechungen. In diesem Jahr sind sie in Europa und Nordamerika unterwegs – und werden am 26. Juni das legendäre Glastonbury Festival beenden.

Schatten auf der Karriere

Ein Schatten fiel 2003 auf Townshends Karriere, als er sich wegen des Verdachts des Kaufs von kinderpornografischen Bildern im Internet verantworten musste. Er glaube, als Kind sexuell misshandelt worden zu sein, und habe in seinem Kampf gegen Kinderpornografie recherchieren wollen, gab er in Interviews und in seiner Autobiografie „Who Am I“ (2012) zu Protokoll. Die Vorwürfe gegen ihn erhärteten sich nicht. Seine Ehe mit Karen Astley dauerte von 1968 bis 2009, er hat zwei Töchter und seinen Sohn.

Er wolle das musikalische Vermächtnis von The Who nicht „bis zum Sanktnimmerleinstag feiern“, sagte er. „Aber als Songschreiber habe ich noch immer einen Job zu erledigen.“ Mit Material von dpa

 
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