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London
50 Jahre „Sgt. Pepper's“: Die Band der einsamen Herzen
50 Jahre „Sgt. Pepper's“: Mit dem ersten Konzeptalbum überhaupt krempelten die Beatles die Welt der Musik komplett um und wurden von Teenieidolen auf Welttournee zu beispiellos einflussreichen Künstlern.
70 Persönlichkeiten der Weltgeschichte und die Beatles gleich zweimal dabei: Das legendäre „Sgt. Pepper's“-Cover.
Foto: Universal music | 70 Persönlichkeiten der Weltgeschichte und die Beatles gleich zweimal dabei: Das legendäre „Sgt. Pepper's“-Cover.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:47 Uhr

Dies ist natürlich ein anfechtbarer Standpunkt, aber im Grunde haben die Beatles alles erfunden, was wir heute als Popmusik kennen – den Sound, den Look, die Coolness. Nach den Beatles ist alles anders als vor den Beatles. Und dabei haben sie nicht nur den Pop als solchen erfunden, haben sich nicht zufrieden gegeben mit genialen Einfällen wie „Yesterday“ (auf dem Album „Help“), „Eleanor Rigby“ und „Yellow Submarine“ („Revolver“) oder „Michelle“ („Rubber Soul“), sondern sind gleich weitermarschiert, mitten hinein in Gefilde, die weit über alles hinausgingen, was sich Beat- oder Rockmusiker bis dato getraut oder auch nur ausgedacht hatten.

Auf der ewigen Bestenliste auf Platz 1

Kein Album steht so sehr für diesen Zeitenwechsel wie „Sgt. Pepper?s Lonely Hearts Club Band“, erstes Konzeptalbum der Musikgeschichte und laut Fachzeitschrift „Rolling Stone“, Hüterin allen Wissens über den Rock, „das wichtigste Rock 'n' Roll-Album, das je gemacht wurde, ein unübertroffenes Abenteuer in Sachen Konzept, Klang, Songwriting, Cover und Studiotechnologie der großartigsten Rock 'n' Roll-Gruppe aller Zeiten“.

„Sgt. Pepper?s“ steht unverrückbar auf Platz 1 der „Rolling Stone“-Liste der 500 großartigsten Alben aller Zeiten, auf den Plätzen 3, 5 und 10 übrigens „Revolver“, „Rubber Soul“ und „The White Album“.

Zum Geburtstag eine remixte "Deluxe-Edition"

„Sgt. Pepper?s“ kam vor genau 50 Jahren heraus: am 1. Juni 1967 in Großbritannien, einen Tag später in den USA. Zum Geburtstag hat Giles Martin, Sohn des legendären Beatles-Produzenten George Martin (1926-2016), das Album anhand der Originalbänder neu abgemischt und als „Deluxe Edition“ herausgebracht. Die Urversion erschien noch in Mono, und dieses Material bildete auch die Grundlage für den Remix, wie Martin im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ berichtet.

Das Ergebnis ist frappierend: „Sgt. Pepper?s“ klingt so erdig wie das originale Vinyl-Album, dabei aber so frisch, farbig und transparent, als sei es erst gestern mit modernsten Mitteln eingespielt worden und eben nicht unter Verwendung der unglaublich mühsamen Vierspurtechnik.

Da damals in den Abbey-Road-Studios (wie in allen anderen Studios) eben nur vier Kanäle zur Verfügung standen, mussten bereits aufgenommene Spuren immer wieder übereinanderkopiert werden, um schließlich zu den unglaublich komplexen Klangkunstwerken zu gelangen, die „Sgt. Pepper?s“ ausmachen.

In den 60er Jahren war all das vollkommen unerhört

Für den heutigen Hörer hat dieser kühne, fantasievolle, respektlose und immer wieder überraschende Mix aus Instrumenten, Geräuschen, Klängen und Stilen längst nichts Revolutionäres mehr, doch in den 60er Jahren war all das vollkommen unerhört.

Schon die Klangexperimente in einigen Songs auf „Revolver“ hatten traditionsbewusstere Fans verstört, aber spätestens mit „Sgt. Pepper's“ konnte man nur noch entweder Fan der Rolling Stones sein, die inzwischen seit über einem halben Jahrhundert im Grunde dieselbe Art Musik machten, oder der Beatles, die in weniger als zehn Jahren die Welt komplett auf den Kopf stellten. Lustigerweise gelten bis heute die Stones als die Revoluzzer. . .

„Sgt. Pepper?s Lonely Hearts Club Band“ ist ein Gesamtkunstwerk. Auf dem Cover sind 70 Persönlichkeiten versammelt, von Albert Einstein über Stan Laurel, C. G. Jung, Oscar Wilde, Edgar Allan Poe, Bob Dylan, Marilyn Monroe bis Karlheinz Stockhausen.

Trotz der vielen Experimente wirkt alles wie aus einem Guss

Die Beatles erscheinen zweimal: in Form ihrer Wachsdoubles aus dem Hause Madame Tussaud's und in Person, gewandet in bunte Fantasieuniformen, die den Titelsong vorwegnehmen, der schon nach wenigen Takten harte Gitarrenriffs mit gemütlicher Blasmusik verschneidet. Damit ist der Ton gesetzt, der auf geheimnisvolle Weise wirkt wie aus einem Guss, obwohl „Sgt. Pepper's“ ständig changiert zwischen Rock, schrillen, überdrehten oder wuchtigen Klangexperimenten, indischen Sitarklängen, Varietémotiven, Ragtime oder klassischer Kammermusik. Um ein letztes Mal den „Rolling Stone“ zu zitieren: „ John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr waren nie furchtloser und einiger in ihrer Suche nach Magie und Transzendenz.“

In Texten voll surrealer Poesie und mehr oder weniger verschlüsselter Anspielungen verarbeiten die Beatles zudem unendlich viele Erfahrungen, Assoziationen und Inspirationen. Aus den Pilzköpfen, die als adrette Teenieidole die Welt umkreisten, waren beispiellos einflussreiche Künstler geworden.

Schon anderthalb Jahre später kommt der nächste Geniestreich

Kaum vorstellbar, dass nur anderthalb Jahre später der nächste Geniestreich gelang. „Back in the USSR“, „While My Guitar Gently Weeps“, „Ob-La-Di, Ob-La-Da“, „Blackbird“, „Rocky Raccoon“ oder „Why Don?t We Do It in the Road“ sind nicht auf „Sgt. Pepper's“. Die sind auf dem weißen Doppelalbum.

Die remixte Deluxe-Edition von „Sgt. Pepper?s Lonely Hearts Club Band“ (Apple/Universal) gibt es als CD, Download und LP mit etlichen zusätzlichen Tracks, etwa verworfenen Takes aus dem Studio, und als „Limited Super Deluxe“-Set mit vier CDs, einer DVD und einer Blu-Ray.

 
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