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BAD KISSINGEN
30 Jahre Kissinger Sommer: Die Intendantin geht
Abschlussinterview: An diesem Freitag beginnt der 31. Kissinger Sommer. Es ist der letzte, für den Intendantin Kari Kahl-Wolfsjäger verantwortlich zeichnet. Zur Ruhe setzen wird sie sich allerdings nicht.
„Ich hatte eine wunderbare Zeit.“ Kari Kahl-Wolfsjäger verlässt Bad Kissingen ohne Bedauern.
Foto: Anand Anders | „Ich hatte eine wunderbare Zeit.“ Kari Kahl-Wolfsjäger verlässt Bad Kissingen ohne Bedauern.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:08 Uhr

Es ist der 31. Kissinger Sommer im 30. Jahr – das liegt daran, dass das Festival erst 1986 offiziell gegründet wurde. Doch wie auch immer man rechnet, Kari Kahl-Wolfsjäger war von Anfang an dabei. Wenn aber an diesem Freitag der 31. Kissinger Sommer beginnt, ist die Intendantin zum letzten Mal dabei. Ende des Jahres läuft ihr Vertrag aus, ihr Nachfolger ist Tilman Schlömp, zuvor Leiter des künstlerischen Betriebs des Beethovenfests in Bonn. Die gebürtige Norwegerin arbeitete nach dem Studium unter anderem in Harvard (Theaterwissenschaften, Kunstgeschichte, Englische Literatur, Promotion) zunächst als Journalistin bei der Zeitschrift „Capital“. Mittlerweile ist Kari Kahl-Wolfsjäger vorwiegend als Musikmanagerin unterwegs.

Ihre Spezialität war es, viele der großen Klassik-Stars nachhaltig an den Kissinger Sommer zu binden, etliche hat sie selbst entdeckt. So trat hier der neunjährige David Garrett auf. Die Besetzung der Ausgabe 2016 lässt an prominenten Namen nichts zu wünschen übrig. Cecilia Bartoli, die langjährige Gefährtin, war schon zu einem frühen Eröffnungskonzert im Mai da, den endgültigen, verspäteten Abschluss macht am 25. Oktober Lang Lang.

Dazwischen, also im klassischen Kissinger-Sommer-Zeitraum vom 24. Juni bis 24. Juli, treten unter anderem auf Klaus Florian Vogt (heuer der Parsifal in Bayreuth), Waltraud Meier, Hélene Grimaud, Daniil Trifonov, Fazil Say, Sabine Meyer, Philippe Jaroussky, Rudolf Buchbinder, Daniel Hope, Katia und Marielle Labeque, Grigory Sokolov, Martin Helmchen oder David Fray. Kahl-Wolfsjäger, die die 70 überschritten hat, setzt sich im Übrigen mitnichten zur Ruhe, wie sie im Interview verrät.

Frage: Ihr letzter Kissinger Sommer als Intendantin. Lehnen Sie sich jetzt zurück und genießen nur noch?

Kari Kahl-Wolfsjäger: Nein, ich wohne seit einem guten Jahr in München und starte da nächstes Jahr ein neues kleines Festival – große Stars und junge Stars von morgen.

Da haben Sie aber keinen so schönen Konzertsaal wie hier.

Kahl-Wolfsjäger: Nein – aber wir suchen dort nicht die schönen Konzertsäle, sondern alternative Spielstätten, denn wir möchten verstärkt junge Zuschauer erreichen.

Und diese jungen Künstler sind Klassik-Talente?

Kahl-Wolfsjäger: Das sind kommende Weltstars aus Amerika, aus Russland, aus China, ganz Europa, die ich gesucht und gefunden habe. Wie ich das auch für den Kissinger Sommer 30 Jahre lang gemacht habe.

Früher wären Sie an einem Tag wie heute, kurz vor Beginn des Festivals, in Gedanken schon beim Kissinger Sommer 2017, 2018 oder gar 2019 gewesen, jetzt arbeiten Sie an einem neuen Festival. Wie wird es heißen?

Kahl-Wolfsjäger: Es gibt schon einen Namen, die Planungen sind fertig, aber es ist noch nicht presseöffentlich.

Gibt es für Sie den alljährlichen Kissinger-Sommer-Moment, wenn es losgeht? Wenn die ersten Künstler anreisen, der erste Applaus erklingt?

Kahl-Wolfsjäger: Ich bin immer froh, wenn es losgeht, dann ist die Zeit abzusehen, wann es wieder vorbei ist. Fünf Wochen, ich bin ohnehin ein paar Tage vorher da – das ist gewaltiger Stress.

Gibt es einen Abend in diesen 30 Jahren, den Sie nicht missen mögen. Der für immer herausragen wird?

Kahl-Wolfsjäger: Das ist so schwer zu sagen. Als Lang Lang zum 25. Kissinger Sommer Cecilia Bartoli begleitete, vielleicht. Wir hatten Monate vorher Proben in Berlin vereinbart, ich hatte um einen Raum im Konzerthaus am Gendarmenmarkt gebeten. Ich kam mit Cecilia Bartoli, Lang Lang kam mit Verspätung – und hatte die Noten vergessen. Er ist ja ein unheimlich musikalischer Mensch und hat gleich erfasst, worum es ging. Aber das führte nicht wirklich weiter, und so sind wir dann zu seinem Lieblingschinesen gegangen. Natürlich haben später reguläre Proben stattgefunden. Beim Konzert hat sich Lang Lang sehr zurückgenommen im Dienste der Primadonna. Wir wollten das wiederholen, aber es ist dann nichts mehr daraus geworden.

Wen hätten Sie gerne geholt, den oder die Sie gerne im Programm gehabt hätten?

Kahl-Wolfsjäger: Niemand. Zum Glück habe ich über die Jahre die bekommen, die ich wollte. Es gibt ein paar große Stars, die ich nicht so schätze. Das heißt nicht, dass ich sie schlecht finde.

Das heißt auch, dass Sie nie jemand geholt haben, nur weil Sie wussten, sein Namen würde ziehen.

Kahl-Wolfsjäger: Nein, den Luxus habe ich mir geleistet. Ein paar hätten sicher sehr gut gezogen. Sind nicht viele, zwei oder drei. Aber sie wären auch sehr teuer gewesen, da konnte ich dann argumentieren, die können wir uns nicht leisten.

Die Klassik-Stars vermarkten sich seit einigen Jahren wie Popstars. Manche sind regelrecht zu Fotomodellen mutiert. Haben Sie das auch in Ihrer Arbeit gemerkt?

Kahl-Wolfsjäger: Ein berühmter Künstleragent sagte vor ein paar Jahren ganz traurig zu mir: „Weißt du, ich bin gezwungen, Hollywood-Besetzungen zu machen.“ Das Aussehen ist häufig wichtiger als die Stimme. Das gilt vor allem im Bereich Oper. Das ist eine fatale Entwicklung.

Die Sängerin mit der grandiosen Stimme, die nicht zum Fotomodell taugt . . .

Kahl-Wolfsjäger: . . . hat in der Regel wenig Chancen. Der Sänger übrigens auch. Es sind oft die Falschen, die bevorzugt werden.

Cecilia Bartoli gräbt gerne vergessenes Repertoire aus und hat Erfolg damit. Das trauen sich nicht viele. Könnten Sie sich vorstellen, dass es noch viele ungehobene Schätze der Klassik gibt?

Kahl-Wolfsjäger: Wir haben früher pauschal gesagt, was nicht gespielt wird, ist es auch nicht wert. Ich denke, das war etwas oberflächlich. Es gibt sicher Schätze zu heben, aber ich vermag nicht zu sagen, wie viele das sein könnten.

Ein wichtiger Teil des Publikums waren immer die klassischen Sommerfrischler beziehungsweise Kurgäste. Wie hat sich der Niedergang der Kur auf den Kissinger Sommer ausgewirkt?

Kahl-Wolfsjäger: Das war etwa zur Halbzeit vor zwölf, fünfzehn Jahren. Und solange wir das Steigenberger Hotel hatten, hatten wir keine großen Probleme. Das Schließen des Fünf-Sterne-Hauses – jetzt ist da nur noch ein leeres Grundstück –, das kostet uns bis heute Publikum. Die Gäste dort waren diejenigen, die die teuersten Plätze gekauft haben und auch lange blieben. Am Wochenende kamen ihre Kinder und Enkelkinder, Nichten und Neffen und blieben auch ein paar Nächte. Das spüren wir bis heute. Mein armer Nachfolger wird damit zu kämpfen haben. Das ist auch für die Stadt nachteilig. Es gibt viele gute Geschäfte nicht mehr, weil die Kundschaft nicht mehr vorhanden ist.

Fällt es Ihnen schwer, Bad Kissingen zu verlassen?

Kahl-Wolfsjäger: 30 Jahre sind doch genug, oder? Ich hatte eine wunderbare Zeit. Ich hatte großartige Oberbürgermeister, die ich geliebt habe und die mich auf Händen getragen haben.

 
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