
Jean Sibelius, der wohl bedeutendste Komponist Finnlands, verkörpert wie wenige andere die musikalische Zeitenwende von der Spätromantik zur Moderne um 1900. Jetzt feiert die Musikwelt seinen 150. Geburtstag: Als Johan Julius Christian Sibelius wurde er am 8. Dezember 1865 in der Stadt Hämeenlinna geboren. Er starb am 20. September 1957 in Jervenpää in der Nähe von Helsinki, wo er über 50 Jahre gelebt hatte.
Sibelius' Ruhm beruht auf wenigen populären Kompositionen. Seine gewichtigsten Werke, vor allem seine Symphonien, haben es beim Publikum schwerer. Am stärksten identifiziert wird er nach wie vor mit der kurzen symphonischen Dichtung „Finlandia“ von 1899, die – schwermütig und trotzig im Ausdruck – ein Bild Finnlands in der Endphase der russischen Herrschaft zeichnet. Erst 1917, nach der Abdankung des Zaren, wurde Finnland selbstständig.
Theodor Adorno lehnte ihn ab
Besonders populär ist auch das noch ganz romantisch-schwelgerische Violinkonzert, in seiner endgültigen Fassung 1905 in Berlin uraufgeführt. Fast alle großen Geiger haben es im Repertoire. Ähnlich beliebt ist „Valse triste“, ein zärtlicher kleiner Walzer von 1904, den Konzertbesucher als beliebtes Zugabenstück kennen.
Sibelius wuchs in einer bürgerlichen und musikalischen Offiziers-, Beamten- und Pfarrersfamilie auf. Er studierte in Helsinki, Berlin und Wien und begann 1891 in Helsinki, selbst zu unterrichten. In dieser Zeit entstanden auch die ersten Kompositionen, darunter 1892 „Kullervo“, angeregt durch das Volksepos „Kalevala“ – sein erster großer Erfolg. Im selben Jahr heiratete er Aino Järnefeldt, die aus einer Künstlerfamilie stammte.
Symphonische Dichtungen wie „Kullervo“, die „Lemminkainen-Suite“ (1895/96, erst 1954 vollständig gedruckt) oder „Luonnotar“ (1913), die Motive der finnischen Sagen-, Märchen- und Mythenwelt verarbeiten, und vor allem die sieben Symphonien zeugen von Sibelius' kompositorischer Meisterschaft. Sie entstanden zwischen 1899 und 1924. Mit der Zeit drängte er die Folklore-Motive zurück und entwickelte einen eigenen Stil, der oft zwischen Schroffheit und Pathos schwankt. Sibelius ging bis an die Grenzen der Tonalität, überschritt sie aber nicht.
Seine Symphonien wurden immer konzentrierter, die letzte besteht nur noch aus einem großen Satz von 20 Minuten Dauer. „Meine Musik hat nichts, absolut nichts von Zirkus, was ich zu bieten habe, ist klares kaltes Wasser“, war sein Credo. Von 1930 bis zu seinem Tod komponierte er nicht mehr. Er kränkelte, seine Hände zitterten, es fiel ihm schwer, Noten aufzuschreiben. Zwar arbeitete er in dieser Zeit an seiner 8. Symphonie, vernichtete sie aber. Er lebte zurückgezogen in einem Haus im Wald, nahm aber am Leben und an der Gesellschaft weiter Anteil.
Für die Leser der „New York Times“ war er schon in den 30er Jahren der beliebteste Komponist. Bei den Vertretern der Avantgarde war Sibelius umstritten. Der Musikphilosoph Theodor Adorno lehnte ihn ab, polemisierte heftig gegen ihn, sprach ihm Können und Fortschrittlichkeit ab. Arnold Schoenberg dagegen schrieb, seine Werke atmeten „den wahren Geist eines Sinfonikers“.
In den deutschsprachigen Ländern dauerte es länger, bis Sibelius zu einer festen Größe in den Konzertprogrammen wurde. Sibelius selbst war mit den Dirigenten seiner Werke oft nicht einverstanden. Nur Karajan schätzte er:„Er ist der einzige Mensch, der meine Musik versteht.“