
Kann ein Syndesmosebandabriss Kunst sein? Ja, wenn die Verletzung, die scheinbar nur in der Welt des Fußballs vorkommt, in „11Freunde“ auftaucht. Jener Zeitschrift, der es als einer von wenigen gelungen ist, sich neben dem Platzhirsch „Kicker“ dauerhaft auf dem Markt für Fußball-Fachblätter zu halten. In der Posthalle gewährten „11Freunde“-Gründer Philipp Köster und Redakteur Jens Kirschneck Einblicke in Gedankenwelt und Arbeit von Fußballliebenden, die allmonatlich ein Magazin herausgeben, das sich im Untertitel zur Fußballkultur bekennt und dennoch erfolgreich ist und hochgelobt wird.
Anekdötchen und Clips
Weil es eine Art „Anti-Kicker" darstellt, weitgehend befreit von Spielresultaten und Tabellen, das eher nach Ästhetik, liebenswerten Geschichten drumherum und Skurrilitäten der „schönsten Nebensache der Welt" Ausschau hält. Die „Fußballstanzen", wie Köster Worthülsen und Phrasen der Akteure des auf Hochglanz gewienerten Produkts Profifußball nennt, dienen höchstens der Verballhornung.
Deswegen genießt bei Köster und Kirschneck nicht einer wie Toni Kroos, der durch Eleganz und feines Auge auf dem Platz glänzt, Starkult, sondern der eher mittelmäßig erfolgreich kickende Ansgar Brinkmann, dessen Eskapaden vor und nach dem Schlusspfiff und sein loses Mundwerk Champions-League-Ansprüchen genügten.
So sitzen Köster und Kirschneck 90 Minuten plus Nachspielzeit auf der Bühne der Posthalle, erzählen Anekdötchen vom einen oder anderen Promi oder aus der eigenen Historie als Fußballfan und lesen aus Magazintexten vor. Action gibt es nur bei den eingespielten Videoclips, die Schiedsrichter im Kampf mit dem Freistoßspray oder beleibte Freizeitkicker zeigen, die den Ball aus wenigen Zentimetern Entfernung neben das Tor ballern oder in körperverletzender Manier einen Gegner bearbeiten.
Mit der Bohrmaschine gegen die Blutblase
An dem Abend ist aber ohnehin das Zuhören gefragt. Eine Hommage an die selbstbewusste Spielerfrau a la Bianca Illgner, eine kritische Auseinandersetzung mit der Spezies des bärbeißigen Stadionordners, das Eingeständnis der eigenen fußballerischen Mittelbegabung, die Selbstgeißelung als übereifriger Jugendfußballervater, die Meckerattacken der frustrierten Fan-Opas („Zwei Wochen bei Wasser und Brot"). Das alles in punktgenau gefeilter Prosa, die wohliges Schmunzeln auslöst. Mit viel Fein- und Hintersinnigem, mit Sprachwitz, mit reichlich Ironie. Oder gar offener Satire, wie sie Kirschneck in Thomas Tuchels fiktive und aberwitzige Tagebücher gießt.
Und woanders als bei Köster und Kirschneck bekommt der Fußballfreund eine Rangliste der kuriosesten Fußballerverletzungen kredenzt? Spitzenreiter ist ein englischer „Profi“, der sich anschickte, eine Blutblase am Fuß mit einer Bohrmaschine zu behandeln. Die Folge: eine längere Spielpause.