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KARLSTADT
Zunehmend Erwachsene als Musikschüler
Musikalische Früherziehung wird heute groß geschrieben. Die Angebote setzen schon im Kleinkindalter an. Hier ein Beispielfoto von musikalischer Früherziehung im Mehrgenerationenhaus in Binsfeld von 2013.
Foto: Gimmler | Musikalische Früherziehung wird heute groß geschrieben. Die Angebote setzen schon im Kleinkindalter an. Hier ein Beispielfoto von musikalischer Früherziehung im Mehrgenerationenhaus in Binsfeld von 2013.
Bearbeitet von Karlheinz Haase
 |  aktualisiert: 16.08.2021 16:17 Uhr

Mehr erwachsene Musikchüler lautet der Trend der kommunalen und privaten Musikschulen in der Region.

Der Karlstadter Musikschulleiter Alexander Streib berichtet: „Einige Jugendliche haben zum Beispiel durch das G8 weniger Zeit für außerschulische Tätigkeiten, doch dafür gibt es viele Senioren, die nach einer längeren Pause nun wieder mit einem Instrument anfangen wollen.“ Damit hat die Karlstadter Musikschule weiterhin etwa 500 Schüler, die von 18 Lehrkräften in Voll- und Teilzeit unterrichtet werden.

„Im Erwachsenenalter möchten viele ihre Leidenschaft ausleben und kommen zu uns.“
Matthias Schmitt, Clavis-Musikschule Retzbach

Die Leiterin der städtischen Musikschule Arnstein, Martha Bolkart-Mühlrath, berichtet von spürbar mehr Erwachsenen, die kommen, um ihre Kenntnisse aus der Jugend auffrischen wollen, beispielsweise im Bläser- oder Klavierunterricht. Es gebe sogar etliche, die, über 50 oder 60 Jahre alt, noch völlig neu mit Klavier anfangen. Seit acht Jahren gibt es in Arnstein auch eine Veehharfen-Gruppe. Momentan wird über eine Trommelgruppe für Erwachsene nachgedacht.

Matthias Schmitt von der Clavis-Musikschule in Retzbach stellt ebenfalls fest, dass immer mehr Erwachsene Spaß am Musikunterricht finden. Er hat eine Erklärung dafür: „Die Eltern vieler älterer Leute hatten früher oft einfach kein Geld, ihren Kindern Musikunterricht zu ermöglichen. Im Erwachsenenalter möchten viele dann jedoch ihre Leidenschaft ausleben und kommen zu uns.“

Neben den gängigen Instrumenten wie Klavier, Gitarre oder Schlagzeug werden die Schüler hier auch an exotischen Instrumenten wie der Djembe, einer Bechertrommel aus Westafrika, unterrichtet. Das Alter der etwa 130 Schüler liegt zwischen fünf und 75 Jahren.

Jörg Preiß von der Mr. Price Guitarschool Eußenheim und Schweinfurt registriert einen verstärkten Zulauf von Erwachsenen über 40, die schon immer mal Gitarre spielen wollten. Dabei geht das Interesse in Richtung Akkordspiel auf der Westerngitarre, um Songs am Lagerfeuer begleiten zu können. Noten sind da weniger angesagt. Und bei der E-Gitarre merken viele, dass dies doch mit viel Üben verbunden ist.

Neben dem typischen Instrumentalunterricht gibt es in den städtischen sowie auch an immer mehr privaten Musikschulen vielerlei Zusatzangebote. Beispielsweise kommen zum Musikgarten, der für Kleinkinder zwischen 18 Monaten und dreieinhalb Jahren geeignet ist, die Kinder zusammen mit ihren Eltern oder Großeltern. Martha Bolkart-Mühlrath: „Mit extra kleinen, einfachen Instrumente werden sie an die Musik herangeführt. In der musikalischen Früherziehung sind dann keine Eltern mehr dabei. Dort lernen die Schüler unter anderem die verschiedenen Instrumentengruppen kennen und können sich so für das Instrument entscheiden, das ihnen am besten gefällt. Oft fangen die Schüler dann ein Hauptfach parallel zur Früherziehung an.“

Auch die privaten Musikschulen bieten immer öfter Kurse an, die über den einfachen Instrumentalunterricht hinausgehen. An der Musikschule Clavis sei zum Beispiel der sogenannte Eltern-Kind-Unterricht sehr gefragt. „Besonders zu Beginn des Schuljahrs kommen viele Eltern mit ihren Erstklässlern zu uns. In der gemeinsamen Musikerziehung lernen diese dann das Lernverhalten ihres Kindes besser kennen und können es so auch im außermusikalischen Bereich besser und individueller fördern“, erklärt Matthias Schmitt.

Martha Bolkart-Mühlrath beobachtet außerdem, dass sich das Lernverhalten der Kinder im Vergleich zu den letzten Jahren und Jahrzehnten sehr geändert hat. So falle es vielen heute schwerer, sich längere Zeit auf eine Tätigkeit, wie zum Beispiel das Klavierüben, zu konzentrieren als früher. Bolkart-Mühlrath führt das auf das immer schnelllebigere Umfeld der Kinder zurück. Ein Instrument zu erlernen koste aber Zeit und vielen Schülern fehle die Motivation, sich diese zu nehmen.

„Man muss den Unterricht heutzutage auf jeden Fall interessanter gestalten, damit die Schüler am Ball bleiben“, so die Musikschulleiterin, „beispielsweise durch Gruppenunterricht.“

Alexander Streib hat beobachtet: „Wenn bei einer Talentshow im Fernsehen beispielsweise ein Panflötenspieler erfolgreich ist, kann man beobachten, dass das Interesse an Panflötenunterricht steigt.“

„Wenn man wirklich den Willen hat, ein Instrument zu erlernen, dann bleibt man auch dabei.“
Stephan Schmitt, Gitarrenlehrer aus Karlstadt

Ingrid Lengler, die in Karlstadt privat Geige, Querflöte, Blockflöte und Popgesang unterrichtet, ergänzt: „Mit Klassik alleine lässt sich kein Blumentopf gewinnen.“ Man müsse schauen, was in den Charts läuft und was die Kinder und Jugendlichen singen und spielen wollen. Beim Gesangsunterricht dürfen ihre Schüler auch Karaoke singen, was aber immer parallel zu Gesangsübungen läuft. Bei allem Verständnis zum Pop legt die Musiklehrerin dann doch Wert darauf, dass die Klassik ihren Platz im Unterricht hat – und stellt fest: „Wenn beides gepflegt wird, mögen die Schüler auch die Klassik gerne.“

Hans-Jürgen Döll-Kade von der „main music school“ berichtet, dass es in den 1980er und 1990er einen riesigen Boom gab, vor allem beim Keyboardunterricht. Seit 2000 seien die Schülerzahlen durch rückläufige Geburtenraten, das G 8, Mitbewerber gerade bei Gitarre und anderes Freizeitverhalten um rund 40 Prozent gesunken.

Nach wie vor stark gefragt sind aber vorschulische Kurse, die mehr als ein Drittel ausmachen. Bei den Sechs- bis 16-Jährigen, der größten Zielgruppe, läuft das Keyboard dem Klavier noch den Rang ab. Das kehre sich mit zunehmendem Alter um. Ab etwa 40 Jahre spiele kaum noch jemand Keyboard, sondern ausschließlich Klavier.

Stephan Schmitt, der in Karlstadt Gitarrenunterricht gibt, erklärt: „Für den Gitarrenunterricht sind Musikrichtung und Trends zunächst eher unwichtig. Erst einmal müssen die Grundlagen erlernt werden.“ Nach ein paar Jahren komme es dann schon vor, dass sich die Schüler spezialisieren. „Ich unterrichte dann so ziemlich alles, von Metal über Jazz bis hin zur Klassik“, so Schmitt. Mittlerweile sei die Nachfrage nach Unterricht an der akustischen Gitarre etwas größer als an der E-Gitarre. Bei ihm sind die Schülerzahlen etwas gestiegen. Er unterrichtet momentan 45, wobei 30 Prozent Erwachsene sind. Schmitt erklärt: „Wenn man wirklich den Willen hat ein Instrument zu erlernen, dann bleibt man auch dabei.“

Immer mehr Erwachsene erfüllen sich in späteren Jahren einen in der Jugend nicht in Erfüllung gegangenen Wunsch und beginnen im Erwachsenenalter ein Instrument zu zu lernen – wie hier Elmar Rottmann an der Musikschule Arnstein bei Klavierlehrerin Susanne Fricke.
Foto: Günter Roth | Immer mehr Erwachsene erfüllen sich in späteren Jahren einen in der Jugend nicht in Erfüllung gegangenen Wunsch und beginnen im Erwachsenenalter ein Instrument zu zu lernen – wie hier Elmar Rottmann an der ...
 
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