Das Ausmaß des Verlustes, den Frankreich beklagt, lässt sich im Ausland wohl kaum nachvollziehen – doch in der Heimat des Rocksängers mit dem unfranzösischen Künstlernamen Johnny Hallyday zog dessen Tod bestürzte Reaktionen nach sich. Mit 74 Jahren erlag der „französische Elvis Presley“, der jahrzehntelang mehrere Generationen musikalisch begleitet hatte, einer Krebserkrankung. Radio- und Fernsehanstalten strahlten Sondersendungen aus, in denen Musikerkollegen, Intellektuelle und Politiker ihre Betroffenheit über den Tod dieser Ikone zum Ausdruck brachten, deren Ruhm doch stets national begrenzt geblieben war.
„Es ist ein wenig, als hätte Paris den Eiffelturm verloren“, reagierte etwa der Politiker Benoît Hamon. „Johnny ist tot, das Volk ist traurig“, resümierte die Zeitung „Le Monde“, während der „Figaro“ klagte, mit Hallyday sei Frankreichs „letztes Idol“ gegangen. „Wir haben alle etwas von Johnny in uns“, erklärte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
Zahlreiche Affären
Am frühen Mittwochmorgen hatte Hallydays Ehefrau Laetitia Macron als einen der ersten vom Tod ihres Mannes unterrichtet. Alle Präsidenten suchten Johnny Hallydays Nähe und am meisten wohl Nicolas Sarkozy, der ihn 1996 noch als Bürgermeister mit dem damals 21-jährigen Mannequin Laetitia Boudou verheiratet hatte.
Vielleicht waren es gerade seine menschlichen Schwächen, die das Enfant Terrible Hallyday so populär machten – die selbstzerstörerischen Drogen- und Alkoholexzesse, die Ehen, Scheidungen und zahlreichen Affären, seine gesundheitlichen Probleme. Selbst die Vorwürfe der Steuerflucht verziehen ihm seine Fans. Oder lag es an der überbordenden Energie, die Johnny Hallyday ausstrahlte, sobald er im Rampenlicht stand?
Hallyday verkörperte das ausgelassene Lebensgefühl der Baby-Boomer und ein Frankreich, das von Amerika träumte – von Rock?n Roll, entfesselten Bühnenshows und dem Versprechen, dass mit einer Mischung aus Risikofreude und eisernem Durchhaltevermögen alles möglich ist – auch für einen, der von unten kam. Gerade für einen so verletzlichen Jungen ohne Vater, der Jean-Philippe Smet war, wie sein bürgerlicher Name lautete.
Charme eines Halbstarken
Geboren wurde er in Paris als Sohn einer Verkäuferin und des belgischen Schauspielers, Tänzers und Sängers Léon Smet, der die Familie früh verließ. Smets Schwester und deren Töchter Desta und Menen begleitete Johnny bereits als Kleinkind auf Tanztourneen, die mit Destas amerikanischem Ehemann Lee Ketchum als Gruppe „Les Halliday?s“ auftraten. Als Jugendlicher zurück in Paris, suchte er zunächst vergeblich seinen Platz im Showbusiness, bis er Förderer wie Eddy Mitchell und Jacques Dutronc kennenlernte. Mit seinem Charme eines unverfrorenen Halbstarken traf Johnny Hallyday, wie er sich nun nannte, einen Nerv. Schnell füllte er große Konzertsäle, wurde zum Star. An der Seite der Sängerin Sylvie Vartan, die er 1965 heiratete, bildete er lange ein glamouröses Promi-Paar, ebenso wie später mit der Schauspielerin Nathalie Baye.
Musikalisches Chamäleon
Als „musikalisches Chamäleon“ passte er sich den jeweiligen Musik-Moden an, wechselte zu Country, Techno und Hip-Hop. Als Hallyday 2000 sein 40-jähriges Bühnenjubiläum unter dem Eiffelturm feierte, kamen mehr als eine halbe Million Zuschauer. Als Schauspieler drehte er mit Kinogrößen wie Jean-Luc Godard, Claude Lelouch und Costa-Gravas.
Insgesamt blickte er auf 180 Tourneen, mehr als 110 Millionen verkaufte Schallplatten und rund 40 Goldene Schallplatten zurück. Eine Abschiedstour 2009 musste Johnny Hallyday wegen einer Operation abbrechen, um an seinem 67. Geburtstag im Folgejahr sein Comeback zu feiern. Er war ein Stehaufmännchen, das nie aufgab. Auch das erklärt wohl die unverbrüchliche Zuneigung vieler Franzosen bis zuletzt.