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LONDON
Fürs Globe heißt's Sein oder Nichtsein
Das berühmte Globe Theatre ist wegen Corona in der Existenz bedroht.
Foto: Herbert Scheuring | Das berühmte Globe Theatre ist wegen Corona in der Existenz bedroht.
Katrin Pribyl
 |  aktualisiert: 17.10.2020 02:17 Uhr

Das letzte Mal, als Hamlet auf dieser Freiluftbühne stand, spielte eine Frau den dänischen Prinzen und sinnierte vor Tausenden Zuschauern über seinen Weltschmerz einerseits und die Furcht vor dem Tod andererseits. „Sein oder Nichtsein?“

Touristen wie Einheimische kamen auch wegen des Monologs mit der berühmten Frage ins Londoner Globe Theatre. Nur unweit entfernt vom aktuellen Spielhaus wurde vor rund 420 Jahren die Tragödie des Schriftstellers William Shakespeare uraufgeführt.

Nachbau des Originaltheaters aus dem Jahr 1599

Das heutige Gebäude, ein 1997 fertiggestellter Nachbau des elisabethanischen Originals aus dem Jahr 1599, das etwas geduckt am Südufer der Themse zwischen Geschäftshäusern, Wohnblöcken und Museen steht, lockt in normalen Zeiten bis zu einer Million Besucher jährlich an und gehört zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der britischen Hauptstadt.

Doch nun liegt es verlassen an der South Bank. Seit dem Ausbruch der Coronavirus-Krise und dem im Anschluss verordneten Lockdown ist auch das „wooden O“, das hölzerne O, wie Shakespeare das Globe in seinem Stück „Henry V“ bezeichnet hat, bis auf Weiteres geschlossen. Und plötzlich stellt sich für das Freilichttheater selbst die Existenzfrage. Sein oder Nichtsein?

Hilferuf des Theaters spricht von „größter Bedrohung“

In einem Hilferuf hieß es jüngst vonseiten des Schauspielhauses, es stünde der „größten Bedrohung seiner Zukunft“ seit der Eröffnung vor 23 Jahren gegenüber. Man müsse im Zuge der Pandemie womöglich aufgeben, so die Warnung. Es wären mindestens fünf Millionen Pfund notwendig, umgerechnet rund 5,6 Millionen Euro, um den Betrieb wiederaufnehmen zu können.

Derzeit verbrauchen die Verantwortlichen alle Reserven, doch die Insolvenz rückt offenbar immer näher. „Dies ist finanziell verheerend und könnte sogar zum Ende führen.“

Das nicht subventionierte Theater generiert 95 Prozent der Einnahmen durch Ticketverkäufe, Merchandising und geführte Touren durch die Spielstätte.

Konservativer Abgeordneter: Schließung wäre eine „Tragödie“

Während einige andere Kulturinstitutionen im Land öffentliche Hilfsgelder zur Überbrückung der Krise erhielten, sei das Globe von der nationalen Fördereinrichtung für Künste, dem Arts Council of England, „ohne jegliche Notunterstützung stehengelassen“ worden, so die Kritik.

Der konservative Abgeordnete Julian Knight, der Leiter des Kulturausschusses, sprach in einem Brief an Kultusminister Oliver Dowden von einer „Tragödie“, sollte das Theater schließen müssen, das „nicht nur ein Teil unserer nationalen Identität“ darstelle, „sondern auch ein führendes Beispiel dafür ist, wie Kunst einen wichtigen Beitrag zu unserer Wirtschaft leistet“.

Bislang gibt es noch keinen Termin, wann die Kulturszene im britischen Königreich wieder ihren Betrieb aufnehmen kann, allerdings rechnet kaum jemand damit, dass dies vor Juli der Fall sein könnte – frühestens.

Fans aus aller Welt schauen Shakespeare auf Youtube

William Shakespeare, der Dramatiker mit dem Lippenbärtchen und der Halbglatze, feierte bereits zu Lebzeiten als Autor und Schauspieler im Londoner Globe Erfolge, wurde Mitinhaber des Theaters und kam so zu Reichtum, da bereits zu Zeiten von Königin Elisabeth I. eine außergewöhnliche Theaterbegeisterung auf der Insel herrschte.

Indes: Wird das Theater überleben können – insbesondere wenn im Stehbereich die Distanzregeln schwer umzusetzen sein dürften? Immerhin, ganz auf Shakespeare muss man nicht verzichten.

Seit dem Lockdown zeigt das Globe Theatre auf dem eigenen Youtube-Kanal wechselnde, in der Vergangenheit aufgezeichnete Inszenierungen umsonst – ob „Hamlet“, „Macbeth“ oder „Das Wintermärchen“. War das Globe im 17. Jahrhundert und bis zum 20. März dieses Jahres ein Gemeinschaftserlebnis von Darstellern und Besuchern vor Ort, so ist es nun ein Gemeinschaftserlebnis mit Shakespeare-Fans aus aller Welt.

 
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