Seit wann genau sich Menschen schmücken, ist gar nicht so leicht zu sagen. Schon vor mehr als 100.000 Jahren behängten sie sich wohl mit hübschen Fundstücken aus der Natur, etwa Schneckenhäuser oder Muscheln. Seit rund 42.000 Jahren – das haben auch Ausgrabungen von Professor Nicholas Conrad vom Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren (Urmu) gezeigt – fertigen Menschen in Schwaben Schmuck nach ihren eigenen Vorstellungen. Erstmalig und einzigartig in Süddeutschland zeigt die neue Ausstellung im Urmu Hunderte von Eiszeitperlen.
Auf der Schwäbischen Alb wird immer weiter gegraben
Auf der Schwäbischen Alb ist noch längst nicht alles ausgegraben und gefunden, was unsere Vorfahren dort in der Eiszeit hinterlassen haben. So ist das Urmu als Forschungsmuseum der Uni Tübingen eine äußerst aktive Einrichtung, die immer wieder neue Funde präsentieren kann. In den vergangenen Jahren lag ein Fokus der Grabungsarbeit des wissenschaftlichen Leiters Nicholas Conrad auf Schmuck. 279 Fundstücke, insbesondere Perlen, haben es in die überarbeitete Dauerausstellung geschafft, darunter Highlights wie die ältesten weltweit bekannten Beispiele komplexer Schmuckherstellung. Das sind Perlen, die eben nicht nur durchlöcherte Naturfunde sind, sondern in dreidimensionaler Form komplett von unseren Vorfahren aus Elfenbein oder anderem Material gefertigt wurden, wie Professor Conrad erklärt.
Die Funde, die nun in Blaubeuren zu sehen sind, decken die Zeit von vor etwa 40.000 bis vor circa 10.000 Jahren ab. Trends sind zu erkennen. Grundsätzlich hätten die Archäologen beobachten können, dass die Menschen entgegen allgemeiner Vermutung erst vielfältigere Perlenformen hergestellt hatten, erklärt Conrad. Später hätten sie sich dann spezialisiert, etwa auf die tropfenförmigen Anhänger, die in der Kultur des Gravettien auch auf der Schwäbischen Alb en vogue waren – zumindest wurden sie vielfach gefertigt.
Trotz intensiver und genauer Forschung gibt es in der Archäologie offene Fragen, die womöglich nie beantwortet werden können. Zu viel ging im Laufe der Jahrtausende schlicht verloren. Auf drei Porträts, die zeigen, wie steinzeitliche Menschen in verschiedenen Epochen geschmückt gewesen sein könnten, sind daher auch Mutmaßungen enthalten. Außer den Stein- und Elfenbeinperlen, die nun hinter dickem Glas in Vitrinen liegen, tragen die Porträtierten auch Schmuck aus Federn und anderen Pflanzen- und Tiermaterialien. Dass die frühen Menschen das taten, sei durchaus wahrscheinlich, meinen die Experten. Auch wenn sie dafür nach mehreren 10.000 Jahren aufgrund der Vergänglichkeit des Materials in Schwaben keine Beweise mehr finden können.
Warum eine olympische Goldmedaille im Urmu hängt
In den Forschungen und Mutmaßungen der Archäologen spielt aber auch die Bedeutung von Schmuck eine Rolle. Oft gehe es dabei um Identität, sagt Archäologe Conrad, Gruppenzugehörigkeit etwa könne dadurch ausgedrückt werden. Wer Schmuck trägt, habe immer eine bewusste Entscheidung dazu getroffen. Deshalb sei der hier in Schwaben erstmals nachgewiesene Schritt in der Kulturgeschichte, dass Menschen Schmuckstücke in Gänze selbst geformt und hergestellt haben. Ein zweiter Raum setzt die prähistorischen Funde dann mit zeitgenössischen und modernen Stücken in einen Kontext. So wird gezeigt, dass Schmuckstücke eine Auszeichnung sein können. Der Blausteiner Olympiasieger Dieter Baumann leiht dem Urmu dafür sogar seine Goldmedaille. Schmuck kann aber auch Ausdruck von Vermögen, (Aber)Glauben und anderem sein.
Mit der neuen Ausstellung zum Schmuck der Eiszeit ging eine über mehrere Jahre andauernde Erneuerung der Dauerausstellung im Urmu Blaubeuren zu Ende. Inklusive der neuen Schmuckabteilung wurden sieben neue Räume gestaltet. Dort sind unter anderem prähistorische Flöten aus Mammutelfenbein und Schwanenknochen zu sehen und sogar zu hören. Es gibt zersplitterte Originale – Sensationsfunde aus den Höhlen der Schwäbischen Alb – und Nachbauten von heute, die auch Laien deutlich machen, wie diese ersten Instrumente funktionierten.
Die im März 2023 eröffnete neue Abteilung zu Werkzeugen wirft ein Schlaglicht auf die Anpassungsfähigkeit unserer Vorfahren, die auch schon in Stein- und Eiszeit großen Klimaveränderungen – damals natürlich nicht menschengemacht – ausgesetzt waren. Insgesamt flossen rund 480.000 Euro in die Modernisierung und Aktualisierung der Dauerausstellung, Förderungen gab es unter anderem vom Bund. Schließlich wurden die archäologischen Fundstätten nahe Blaubeuren 2017 sogar zum Unesco-Welterbe "Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb" ernannt.