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Buchpreis: Welcher Roman ist hier der beste?
Zum Auftakt der Leipziger Buchmesse werden die renommierten Literaturpreise vergeben. Sechs Buchhändler aus Schwaben verraten ihre Favoriten in der Sparte Belletristik.
381006432.jpeg       -  Diese Bücher stehen auf der Shortlist für den Preis der Leipziger Buchmesse (Kategorie Belletristik).
Foto: dpa | Diese Bücher stehen auf der Shortlist für den Preis der Leipziger Buchmesse (Kategorie Belletristik).
Redaktion
 |  aktualisiert: 11.03.2024 12:15 Uhr

Nicolas Grenoleitet das gleichnamige Buchhaus in Nördlingen. Seiner Ansicht nach sollten Preise vergeben werden, um unbekanntere Schriftstellerinnen und Schriftsteller sichtbar zu machen. Ulrike Draesner und Clemens J. Setz seien großartige Autoren, hätten aber schon Auszeichnungen erhalten. „Ich würde Joshua Groß den Preis gönnen. Er ist ein junger Autor, der ein intelligentes und originelles Buch vorgelegt hat“, sagt Greno. Doch sein Favorit ist Dinçer Güçyeter, der in „Unser Deutschlandmärchen“ die Geschichte seiner Familie und damit stellvertretend die Geschichte vieler türkischer Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern erzählt. „Es ist eine wichtige und interessante Perspektive, die nicht nur die schönen Seiten Deutschlands zeigt.“ Die Autorin Fatma Aydemir habe das Thema bereits in ihrem Roman „Dschinns“ aufgegriffen, der 2022 für den Deutschen Buchpreis nominiert war. Gerade der Leipziger Buchpreis sei dafür bekannt, Stimmen abseits des Mainstreams hörbar zu machen und experimentellere Bücher zu würdigen. „Ich fände es schön, wenn Güçyeter den Preis bekommen würde", sagt Greno.

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Den Belletristik-Preis findet der Buchhändler Meinolf Krüger, Inhaber des Taschenbuchladens Augsburg, gar nicht so wichtig. "Er ist dort ein bisschen nachrangig." Wichtiger seien der Übersetzer- und der Sachbuchpreis. Letzteres sei ein Genre, das im deutschen Verlagswesen erst in den letzten Jahren mehr Beachtung finde. Und dort hat Krüger einen klaren Favoriten: "Jan Philipp Reemtsma mit seiner Wieland-Biografie. Das ist ein Riesenwerk, ein Lebenswerk." 1984 habe Reemtsma Wieland in einer vielbändigen Ausgabe wieder zugänglich gemacht. "Das war der Beginn einer großen Wieland-Leidenschaft, die er in eine Biografie gegossen hat. Schön, dass das auch als Sachbuchtitel in Leipzig gewürdigt wird." Und für den Übersetzerpreis hat Krüger auch einen Favoriten: Antje Rávik Strubel, die Monika Fagerholms "Wer hat Bambi getötet?" aus dem Schwedischen ins Deutsche übertragen hat. "Eine ziemlich harte Geschichte, ein unerbittlicher Stoff. Aber Strubel hat eine tolle Übersetzersprache." 

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Miriam Stachel, Filialleiterin der Buchhandlung Rupprecht in Kempten, schwärmt schon seit dem Erscheinen von Angela Steideles "Aufklärung". "Sie verleiht der gelehrten Männerwelt eine weibliche Stimme", sagt Stachel. Aus der Perspektive von Dorothea Bach, Johann Sebastian Bachs Tochter, erzählt Steidele die Geschichte einer besonderen Frauenfreundschaft. "Das Buch war meine Weihnachtsempfehlung im Laden. Es kam sehr gut an und hat richtig Freude gemacht." Denn es besteche auch durch seine Musikalität. Und gleich nach "Aufklärung" rangiert bei Stachel "Unser Deutschlandmärchen" von Dinçer Güçyeter. "Dieser Roman hat mich auch sehr tief berührt, er erinnert mich an 'Dschinns' von Fatma Aydemir." Das Tolle an den diesjährigen Nominierungen sei, dass Frauen und Migranten darin eine Stimme bekämen.

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Ginge es nach den Kundinnen und Kunden, würdeJulia Veh, Geschäftsführerin der Buchhandlung Brennerin Dillingen, darauf tippen, dass Clemens J. Setz mit "Monde vor der Landung" den diesjährigen Buchpreis gewinnt. "Setz ist stark gefragt", sagt Veh. Der persönliche Favorit ihres Teams sei allerdings ein anderer. Ulrike Draesners Roman "Die Verwandelten" erzählt von Frauen, die durch den Nationalsozialismus und Krieg ihre Identität ändern mussten. Dabei zeigt sie die Verbindungen zwischen Müttern und Töchtern, die diese Erfahrungen prägten – von der nationalsozialistischen Mutter zur Anwältin von heute, die den polnischen Zweig ihrer Familie entdeckt. "Ulrike Draesner hat einen guten sprachlichen Gebrauch und schreibt so, dass man jeden Satz deutlich versteht. Darum hat sie in unseren Augen den Preis verdient", sagt Veh. 

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Nicht nur Favorit, sondern sogar Herzenswunsch ist für Robert Reuter, Filialleiter der Buchhandlung Osiander in Landsberg, "Monde vor der Landung" . Die Bücher von Clemens J. Setz seien immer schwierig und wenig zugänglich gewesen, nicht so das nominierte. Es vereine Abenteuerroman mit historischem und politischem Roman und sei in einem sehr spannenden Stil geschrieben. Oft zeichne die Jury Bücher aus, die einen gesellschaftlichen Trend widerspiegelten. "Da möchten die Jurys politisch ein Zeichen setzen, wie man im letzten Jahr beim Deutschen Buchpreis für Kim de l'Horizons 'Blutbuch' gesehen hat." Das spreche für einen Klimaschutzroman wie "Prana Extrem" oder den Migrantenroman "Unser Deutschlandmärchen". Aber Reuter bleibt bei seinem Favoriten, denn auch Clemens J. Setz greife ein aktuelles Thema auf: den Umgang mit Andersdenkenden in einer Zeit, als es noch keine Social Media gab. Da liefere er eine interessante Innenansicht und werfe ganz andere Sichtweisen auf ein brennendes Problem in der Gesellschaft.

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AuchRasmus Schöll, der die Buchhandlung Aegis in Ulm leitet, hat einen Liebling unter den Buchpreis-Kandidaten: Dinçer Güçyeter mit seinem Roman "Unser Deutschlandmärchen". Schöll findet: "Güçyeter schafft in diesem Buch wahre Literatur." Das Werk reihe sich ein in die Tradition der Arbeiterliteratur, auch in die Linie der großen Einwanderer-Geschichten – aber es befreie sich von der traditionellen Erzählform. "Unser Deutschlandmärchen" malt in mythischen, traumhaften Szenen das Bild einer Familie zwischen Anatolien und Almanya. Im Fokus dabei: die Frauen. "Das Leben, das diese Frauen im Roman führen, ja manche von ihnen führen müssen, kritisiert Güçyeter", sagt Schöll. Es ist ein Leben in einem autoritären Milieu, in dem Güçyeter die "Fragilität des Machotums" spürbar mache. Schöll hat also einen klaren Favoriten, aber auch gegen andere Gewinner hätte der Buchhändler nichts einzuwenden: "Sehr gute Bücher sind da im Rennen. Clemens J. Setz hätte es sicher auch verdient." Der Preis der Leipziger Buchmesse habe zwar nicht denselben Glanz und Marketing-Effekt wie der Deutsche Buchpreis. "Aber natürlich gewinnt so ein Buch mit dem Preis an Aufmerksamkeit, das merken wir auch in unserem Geschäft." In dieser Kandidaten-Auslese hätte es wohl jedes Buch verdient. (lac, rim, mield, m-b, veli)

 
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