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Ulm
Nonnen-Komödie mit großem Spaß: "Sister Act" auf der Wilhelmsburg
Aus dem Paillettenkleid ins Ordensgewand: Ein Ulmer Gospelstar überzeugt im Musical auf der Wilhelmsburg. So lief die "Sister Act"-Premiere des Theater Ulms.
Rosaria Kilian
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:37 Uhr

Die Nachtklub-Sängerin Deloris van Cartier beobachtet im Philadelphia der späten 70er Jahre einen Mord. Sie wird deshalb zum neuen Ziel der Gangsterbande und sucht Hilfe bei der Polizei. Im Polizeipräsidium trifft sie auf einen alten Schulfreund, der sie in ein Zeugenschutzprogramm aufnimmt. Deloris soll sich bis zum Prozess in einem Kloster verstecken – und die Barsängerin tauscht Pailletten, Pelz und Partys gegen Habit und Hammelfleisch. Im Kloster hatte die gestrenge Mutter Oberin die Strippen in der Hand. Deloris versteht es aber, die Ordnung mit ihren weltlichen Einflüssen zu stören. Sie bringt Soul in den blutleeren Klosterchor und rettet die Ordensgemeinschaft so nicht nur vor dem Ruin, sondern macht bald selbst den Papst auf die swingenden Schwestern aufmerksam.

Diese Geschichte ist den meisten wohl aus dem 1992 erschienenen Kultfilm mit Whoopie Goldberg in der Hauptrolle bekannt. Ein rund 65-köpfiges Ensemble bringt den Stoff als stimmungsvolles Sommer-Musical nun auf die Open-Air-Bühne des Theaters Ulm, auf der Wilhelmsburg. Für seine Inszenierung hat Regisseur Benjamin Künzel die Ulmer Gospel-Sängerin Siyou Isabelle Ngnoubamdjum in der Hauptrolle engagiert. Die 54-Jährige ist eine erfahrene Musikerin – Musical allerdings ist ein neues Genre für sie. Der Nachtklub-Sängerin haucht Ngnoubamdjum eine Lebensfreude und tiefe Menschlichkeit ein, die in ihrem vollen, groovigen Stimmklang widerhallt.

Standing Ovations für "Sister Act" auf der Wilhelmsburg in Ulm

An Siyou Isabelle Ngnoubamdjums Seite spielt ein starkes Ensemble. Die Nebenfiguren in der Musicalversion von "Sister Act" sind dabei holzschnittartig und grotesk überhöht. Die Gangster bedienen abgedroschene Klischees, die Persönlichkeiten der Nonnen lassen sich mit je einem Wort beschreiben: die Naive etwa, oder die Steinalte. Das verlangt nach komischem Talent bei den Darstellerinnen und Darstellern und nach einem Gespür des Kreativteams, über wen sich auf diese plumpe Weise lustig gemacht werden kann. Die vielen Lacher und die Standing Ovations des Premierenpublikums in der Wilhelmsburg quittieren Künzel und seinem Team: Alles richtig gemacht!

Schon bei der Premiere als Publikumsliebling etabliert hat sich Patrick Stanke. Kein Wunder! Der Musicalstar spielt den vertrottelten Polizisten Eddie Fritzinger mit einer solchen Spielfreude, dass man der Figur die etwas plumpe Entwicklung vom "Schwitzi-Fritzi" zum glorreichen Retter aus vollem Herzen gönnt.

Ein minimalistisches Bühnenbild für "Sister Act" in Ulm

Grandios unterkühlt spielt Anne Simmering die Mutter Oberin. Die Pointen sitzen, besonders im Schlagabtausch mit der charmanten, warmherzigen Deloris. Umso berührender dann der Moment, in dem das strenge Regiment der Mutter Oberin bröckelt und sie sich aus katholischer Verzweiflung in den Staub vor den Publikumsrängen schmeißt.

In den Innenhof der Ulmer Wilhelmsburg hat die Ausstatterin Petra Mollérus eine reduzierte Kulisse gebaut. Zwei gigantische Showtreppen werden in der dreistündigen Vorführung von etlichen Paaren Plateauschuhen erklommen und herabgeschritten. Die Torbögen des Bühnenbilds imitieren die Fenster in der Fassade der Wilhelmsburg. Die verschiedenen Szenerien werden mit lilafarbenen Modulen gebaut. Überhaupt bestimmt Violett die Open-Air-Bühne in der Wilhelmsburg. Sei es in der Lichtstimmung oder dem Outfit der Hauptdarstellerin, überall findet sich diese Farbe wieder, die in der Welt der liturgischen Farben für einen Übergang oder eine Verwandlung steht.

Die Ulmer Philharmoniker sorgen für Soul und Disco

Das karge Bühnenbild lässt viel Platz für ein großes Ensemble. Unter anderem schmeißt sich auch der Opernchor des Theaters Ulm in schicke 70er-Jahre-Klamotten. Die Choreografie von Gaëtan Chailly ist frisch und ansteckend. Zur Musik von Oscargewinner Alan Menken, der unter anderem auch für Disneys "Arielle, die Meerjungfrau" verantwortlich ist, tanzt ein starkes Ensemble. Viel Disco selbstverständlich, im zweiten Akt etwa erinnert eine Nummer der männlichen Tänzer an Voguing, jenen Tanzstil aus der Ballroom-Szene der 1970er Jahre, der in der homosexuellen Subkultur in amerikanischen Großstädten getanzt wurde. Im Bühnenbild versteckt bleiben die rund 25 Musikerinnen und Musiker des Philharmonischen Orchesters der Stadt Ulm unter der Leitung von Panagiotis Papadopoulos. Womöglich eine vertane Chance für die Szenerie – sucht man doch ein Orchester dieser Größe bei vielen Musicalvorstellungen heutzutage vergeblich.

Diese Nonnen-Komödie bringt großen Spaß. Die Witze sitzen, die Lieder grooven, am Ende gewinnen die Guten. Denn nach drei Stunden Versteckspiel und Verfolgungsjagd ist der Barsängerin Deloris klar: Die Gemeinschaft der Schwestern ist ihr mehr wert als irdische Vergnügen – Katholizismus hin oder her. Die vielen Pailletten helfen über die zugegebenermaßen etwas biedere Botschaft hinweg.

Info: Termine, Tickets und Informationen zur Anfahrt unter theater-ulm.de.

 
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