Frau Dorweiler, bisher haben Sie den Originaltext von Michael Endes „Jim Knopf“-Büchern, in dem unter anderem das N-Wort vorkommt, immer gegen Rassismuskritik verteidigt. Was waren Ihre Argumente?
Bärbel Dorweiler: Wir haben die Bücher aus textimmanenter Sicht verteidigt und natürlich mit der Gesamtaussage des Buches. „Jim Knopf“ ist eine antirassistische Geschichte, Michael Ende reagierte damit auch auf die nationalsozialistische Ideologie, mit der er in seiner Jugend konfrontiert war, und setzt sich davon ganz klar ab. Das N-Wort, an dem sich die Kritik vor allem entzündete, wird von Michael Ende in die Figurensprache gesetzt und sehr schlau eingebettet, indem er davon schreibt, dass Herr Ärmel dazu ein schlaues Gesicht macht. Er wollte auf die fehlende Weltoffenheit dieses typischen Untertanen hinweisen und zum Ausdruck bringen, dass man ihn vielleicht nicht so ernst nehmen muss. Ein anderes Beispiel ist der Scheinriese Turtur, der kindgerecht erklärt, wie Diskriminierung zustande kommt, nämlich dadurch, dass man jemanden, der einem fremd ist, als nicht ebenbürtig betrachtet. Insofern konnte man Ende und dem Buch nie Rassismus vorwerfen.
Trotzdem haben Sie sich entschieden, für die Neuausgabe der nachkolorierten Bände, die am 24. Februar erscheint, einige Anpassungen vorzunehmen. Warum jetzt doch?
Dorweiler: Die Kritik hatte die Auseinandersetzung mit dem Werk immer mehr übertönt und ist ihr letztendlich im Weg gestanden. Wir wollten auch nicht, dass Kinder, die die Bücher jetzt lesen, diese sprachlichen Elemente, die als diskriminierend empfunden werden, in ihren Alltagswortschatz übernehmen.
Wie lief der Prozess der Überarbeitung ab? Wer war daran beteiligt?
Dorweiler: Wir haben zunächst im Lektorat die Texte von Grund auf gelesen und auf alles, was vielleicht problematisch sein könnte, markiert. Wir haben dann auch mit einem Sensitivity Reader über diese Textstellen gesprochen, um das auch aus der Perspektive eines Menschen, der tatsächlich Diskriminierung erfahren hat, reflektiert zu bekommen. Und schließlich haben wir ganz ausführlich mit den Erben Michael Endes Änderung für Änderung durchgesprochen und diese dann vorgenommen.
Neben der kolorierten Neuausgabe wird es das Original mit den Schwarz-Weiß-Zeichnungen von F. J. Tripp auch weiterhin geben, allerdings mit einem einordnenden Nachwort. Warum das?
Dorweiler: Wir hatten ja seit 2015 zwei Ausgaben parallel, die originale mit Schwarz-Weiß-Zeichnungen und die vierfarbige, die den heutigen Sehgewohnheiten der Kinder entgegenkommt und durch ihr größeres Format und einen anderen Satzspiegel auch angenehmer lesbar ist. Deshalb war es naheliegend, die Überarbeitung in dieser Ausgabe vorzunehmen. Dort haben wir auch die Zeichnungen in Absprache mit dem Erben von F. J. Tripp angepasst. Die dicken rosafarbenen Lippen und die schwarze Haut, die ohne Begrenzung in die schwarzen Haare übergeht, können in der heutigen Betrachtung und vor dem Hintergrund der Rassismuserfahrung schwarzer Menschen irritieren. Als Verlag ist es aber auch immer unsere Aufgabe, das Werk eines Autors zu schützen und zu bewahren. Die Schwarz-Weiß-Ausgabe gibt Lesern weiterhin die Möglichkeit, den Originaltext von Michael Ende zu lesen.
Was sagt denn Herr Ärmel nun, wenn er das N-Wort nicht sagt?
Dorweiler: Es heißt jetzt „das ist aber eine ganz außergewöhnliche Postsendung“.
Damit ist das problematische N-Wort umgangen, aber es gibt in „Jim Knopf“ auch Passagen, in denen schwarze Haut mit schmutziger Haut gleichgesetzt wird, etwa wenn es heißt, dass Waschen für ihn überflüssig sei „weil er ja sowieso schwarz war und man gar nicht sehen konnte, ob sein Hals sauber war oder nicht.“ Wie gehen Sie damit um in der Neuausgabe?
Dorweiler: Da heißt jetzt einfach nur noch „Das Waschen fand er überflüssig“. Er ist also schon noch ein kleiner Junge, der sich nicht gerne wäscht, aber es wird nicht mehr an seine Hautfarbe gekoppelt. Generell haben wir die Farbzuweisung sehr reduziert. Ende hat sehr häufig Jim Knopf als „kleinen schwarzen Jungen“ bezeichnet, aber das muss man ja nicht immer wieder betonen, das tun wir bei weißen Kindern auch nicht. Menschen mit schwarzer Hautfarbe empfinden ja gerade diese ständige Betonung des Schwarzseins, des Andersseins als Ausgrenzung.